Überraschungen

Das sind circa 90 Bonsaibäume in unterschiedlichen Fortschrittsstufen. Nur leider sind sie nicht mehr im wunderschönen Bonsaigarten auf Naya, wo wir investiert haben, sondern sie sind zuhause, wo wir wohnen. Ich habe den Bonsaigarten leergeräumt vor ein paar Wochen, aufgegeben, gezwungenermaßen; alle Bäume hergeholt und seitdem täglich morgens ganz früh an ihnen gearbeitet. Teilweise waren sie etwas verwahrlost… Warum das alles?

Da hole ich mal etwas aus. Ende November gabe es ein Treffen auf Naya, dem Projekt wo wir auch bauen. Thema: Das Geld sei alle. Dem Gründer und Projektleiter täte es sehr Leid, es schiene, er könne nicht so gut mit Geld umgehen, es waren viel zu viele Arbeiter und hier und da wäre ganz schön was abgezweigt worden. So kam es, dass 4 von den Investoren mit Zustimmung des Projektleiters die finanzielle Kontrolle übernommen haben, Sarah und ich darunter, noch ein Deutscher und ein Schweizer dabei. Zu dem Zeitpunkt hatten nur wir beide bereits die ganze Investition erbracht, bei den anderen waren noch Teilzahlungen offen. Es ging darum, dass wir vier für den weiteren Verlauf des Projekts die Finger drauf hätten und schauen, dass nichts weiter mehr schief ginge. Da wir 5 Investorenfamilien sind, alle mit Häusern, war es ein ziemlicher Haufen Geld, der nun einfach “verbraucht” war, ohne dass die Häuser fertig geworden waren. Also verlangten wir volle Kooperation und Einsicht in alle Vorgänge, Bankauszüge, alle Verträge etc. und bekamen das auch. In der folgenden Zeit sind wir das Ganze akribisch durchgegangen, haben auch noch mit Altinvesoren (die niemals ihre Häuser bekommen hatten) und Handwerkern gesprochen, und Tag für Tag wurde die Aussicht, was sich da abgespielt hatte, abgründiger, schlimmer. Die folgenden 2.5 Monate zusammenfassend kamen wir dann zum Schluss, dass es wahrscheinlich niemals wirklich darum gegangen war, dass dort ein nachhaltiges und lebendiges Projektdorf entstünde, sondern einzig und allein darum, unsere Gelder zu erhalten, um unter anderem damit ein gutes Leben zu führen und (wie ich immer noch vermute) selbst einiges abzuzweigen und für die Zukunft sicher zu verwahren. Ein sogenannter “Investment-Scam”, der uns allen schwer zu schaffen gemacht hat und weiterhin macht. Wie wir nun wissen, gibt es viele davon aus Bali, weil die Menschen, die sich hier eine Zukunft erträumen, leicht verführbar sind.

Der Gründer und Direktor der Firma, zusammen mit seiner Freundin oder Exfreundin, die als Kommissar in der Firma dafür verantwortlich ist, dass das Management keinen Mist macht (aber sagte, dass ihre Arbeit nur Kaffee machen sei), sind immer noch da, fahren oft und gerne ans Meer (was sie dann in Instagram posten), geben immer noch viel Geld aus und fühlen sich wohl, im Glauben, dass ihnen hier fast nichts passieren kann. Die Häuser sind 3/4 fertig und werden quasi als Geiseln verwendet im Sinne von “wollt Ihr, dass alles den Bach runtergeht, das dauert nicht lange in den Tropen”, weil wir Widerstand leisteten und verhindert haben, dass die anderen Investoren ihre letzten Gelder einzahlen (damit die nicht auch spurlos verschwinden). Spurlos ist allerdings nichts, wenn man die Bankauszüge anschaut. Leicht obsessiv bin ich im Januar allen Kontobewegungen nachgegangen und habe einiges festgestellt, was mir Gänsehaut gegeben hat, gerade dazu, wohin das Geld gegangen ist. Weiter haben wir gesehen, dass 33 Prozent von jeder Investition verwendet worden sind, um persönliche Schulden des Direktors abzuzahlen, am Landeigner, an den Altinvestoren, allein von uns 83.000 €. Absolut offensichtlich, dass keine Häuser fertig werden konnten und lt. Auskunft der Anwälte absolut gesetzeswidrig. Unsere Verträge sehen vor, dass 100 Prozent unserer Investitionen verwendet werden müssen, um unsere Häuser zu bauen. Sollte dann noch Geld übrig oder gut gewirtschaftet worden sein, muss vom Rest Gemeineigentum gebaut werden und darüber hinaus kann die Firma dann machen, was sie für richtig hält solange der Kommisaris aufpasst. Wir sind nur B-Aktionäre und haben zwar Schutz und ein Recht an unseren Häusern wenn sie fertig sind, aber kein Wahlrecht, können also auch nichts direkt gegen die beiden tun.

Im Falle des Bonsaigartens kam heraus, dass dessen Anlage auch gesetzeswidrig war, weil das Land auf dem er gebaut wurde, gar nicht zu Naya gehört. Und am Ende sind 2500 Quadratmeter am Eingang des Landes, wo es auch den Zugang zur Straße gibt, noch gar nicht bezahlt, was ebenso heikel ist und wofür weitere 24 Tausend Euro gebraucht werden. Lüge und wahrscheinlich kriminelle Energie wo man hinsieht, es ist haarsträubend. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen erzählt der Herr herum, dass wir das Projekt zerstört hätten, grotesk.

Ich habe das hier wieder mal vor mir hergeschoben, weil die Geschichte so mürbe macht und unerfreulich ist. Heute früh kam aber die freundliche Aufforderung von Peter, dass wohl “bald mal wieder ein Bericht kommen” könnte, insofern habe ich nun die Gelegenheit ergriffen. Es ist eine Art Krieg im Gange, der natürlich allen zusetzt. 2 von den Investoren hatten sich ihre Renten auszahlen lassen, um ihr Geld zu investieren, richtig reich ist niemand in der Gruppe. Richtig angeschmiert sind wir alle. Großes Glück im Unglück ist aber, dass wir beide hier nur zu Verbrauchskosten wunderschön wohnen können in Marys und Georgs Haus und mir bislang nachgesehen wurde, dass die Terasse sich zusehends füllte mit den Bonsais. Mary und Georg sind seit kurz vor Weihnachten hier und haben eine gute Zeit. Wir haben ja eine lange Tradition mit Urlauben und kommen bestens miteinander klar.

Ansonsten ist es natürlich nach wie vor sehr schön auf Bali. Wir alle hatten Covid, aber es ging dann im Ende doch auch wieder vorbei. Der Stress und zuviel Kaffee haben mir auf den Magen geschlagen, insofern esse ich nur noch einmal am Tag, abends geht nicht mehr. Bin aber gesund, frisch durchgecheckt von einer sehr netten Ärztin in Ubud incl großem Blutbild, was auch meinen Freiburger Arzt absolut zufrieden gestellt hat. Täglich bin ich unterwegs, weil es soviel zu tun gibt, immer noch schwerpunktmäßig gartentechnisch, habe aber auch erste Buchaufträge. Aktuell geht ein Prachtband in den Druck für ein magisches Kaufhaus, ein Orakel-Buch, muss demnächst nach Jakarta um es zu drucken, ein Auftrag, den die Freiburger Firma hier angenommen hat. Damit ich zukünftig mit meiner Arbeit hier auf der juristisch sicheren Seite bin, habe ich einen Prozess begonnen, um hier eine Firma zu gründen. Hier Name und Schriftzug:

In Indonesien muss eine ausländische AG aus drei Worten bestehen, es war also ziemlich tricky, hier was zu finden. Balinesisch ist schwieriger als Indonesisch, was mittlerweile ganz gut geht. Also musste ich dafür studieren. Bali ist ja klar, selbsterklärend. “Manah” hat folgende Bedeutungen, balinesisch ist contextabhängig, also greift stets die Bedeutung, die im Zusammenhang mehr Sinn ergibt: Gedanke, Absicht, Verstand, Wille, Gefühl, Rücksicht. Das Wort “Sawang” hingegen ist aus der Hochsprache und hat diese Bedeutungen: Bildlich beschreibt es die zunehmende Strömung in einem Gewässer entgegen einer Öffnung, also eine sich steigernde Bewegung; dann bedeutet es weiter schöpferische Kraft, Gedanke, Idee – es meint tendenziell eher etwas farbiges als etwas blasses und zielt dann in Richtung sichtbar sein, gesehen werden, in Sicht sein. Ich hatte es schon einmal erwähnt, der Urgrund der balinesischen Metaphysik besteht in dem Spannungsbogen und -geflecht von “Sekala” — “Niskala” (sichtbar – unsichtbar), was hier im Untergrund allgegenwärtig ist. Wasser ist “yeh”, ordinäres Wasser eben, heiliges Wasser ist “tirta” oder “beji”; ”yeh” ist sichtbarer Ausdruck von “tirta”, “tirta” ist das unsichtbare Element in “yeh”. Der Name manah sawang beschreibt also den strömungsvollen Prozess der Sichtbarmachung von etwas Unsichtbarem, eben einer Idee, die im Bewusstsein erfunden wird, und damit die Grundstruktur des kreativen Prozesses. Wichtig auch, dass ich mit der Firma meine eigene Aufenthaltsgenehmigung sponsorn kann und damit nicht mehr abhängig davon bin, ob ich diese weiter von Naya bekomme (als Investoren stand uns das zu, aber wenn wir nun mit Anwälten kommen, wird Krieg herrschen). Ich kann mit einer Firma immer nur in der Klasse tätig sein, mit der sie angemeldet wird. Kann also nicht ein Haus bauen und dann einfach einen Friseursalon reinmachen. Glücklicherweise ist die Klassifizierung (klassifikasi), die zu mir passt, ansatzweise vollumfänglich für mich: Gestalltung, was immer gestaltet werden kann. Ich kann Gärten gestalten, Bücher, Filme, Ausstellungen, Häuser – lediglich aufpassen muss ich, dass ich nicht eine andere Berufsbezeichnung verwende, wie Gärtner oder Architekt. zum Beispiel habe ich eine Anfrage von einem Eco-Ingenieur, der mit einem Architekten zusammenarbeitet. Sie bezeichnen sich selbst zwar als wissend was ihre Domänen angeht, aber völlig uninspiriert. Also fragten sie mich, ob ich als dritte Kraft bei ihnen mitmache und zuständig bin nur für die Ideen, weil sie selbst einfach keine haben. Für Inspiration, Verrücktes… sowas werde ich hier gefragt…

Ansonsten sind wir weiterhin ratlos, wie wir das mit dem Bärle machen. Er ist immer noch im Katzenmoos und wartet auf uns, es ist herzzerreißend. Über Weihnachten war er bei einer Familie gewesen, von denen die Frau des Hauses ihn zuvor mehrfach zum Laufen abgeholt hatte. Sie waren sich nahe gekommen, hieß es. Über die Ferienpause Weihnachten sollte nun der Ehemann (keine Kinder) testen können, ob das passt mit dem Rocco. Und wir hätten ihn aufgegeben. Aber dann war er mit seinen Launen doch zu viel für den Ehemann und sie brachten ihn zurück. Helena meint, er braucht wirklich bald wieder sozielen Anschluss, ginge moralisch etwas ein dort. Die Pandemie hat die ursprüngliche Idee, dass wir 6 Monate Bali machen und 6 Monate Europa, ja ziemlich erwürgt. Erst gerade diese Woche hat Bali wieder geöffnet, es gibt Direktflüge und Visa. Der Krieg hat Corona vom Medienschauplatz verwiesen, aber immer noch gibt es ein dauerndes Hin und her wegen Impfungen und deren Gültigkeit. Nun, wir wissen noch nicht, wann eine Rückkehr, zumindest für ein bis zwei Monate, passieren und sinnvoll sein wird. Ich habe hier sicher bis Anfang Juni an einem Projekt zu tun, aber dann sehe ich das durchaus für möglich an. 4 Wochen darf ich mit meiner Krankenversicherung in Deutschland sein, mal sehen. Ich habe auf jeden Fall vor, dann möglichst viele von Euch zu sehen. Ach ja, hier noch ein aktuelles Foto. Da halte ich mein Zertifikat an einer großen und nachhaltig betriebenen Vanilleplantage, bei denen ich tatsächlich ein bisschen investiert habe, in die Höhe. Viel ist nicht mehr an mir dran, unlängst im Klamottenladen war mir sogar ein “M” zu groß, aber das könnte auch Zufall gewesen sein. Wie gesagt, kerngesund, den Kaffee habe ich drastisch reduziert, den Wein seit über 4 Wochen gefastet, also keine Sorge, dicker wird man ja eh’ von alleine.

Soweit für heute. Keine guten Nachrichten, ein Vermögen in einem Ponzi-Sheme verloren zu haben, aber es ist noch nicht vorbei, und man weiß nie… Ich hoffe, dass ich das nächste Mal (und ich warte sicher nicht so lange, lieber Onkel Peter) wieder weniger deprimierende Nachrichten habe. Ich hoffe, dass es Euch allen gut geht, dass Ihr froh und munter seid, gesund, glücklich. Würd mich sehr freuen, auch etwas zurückzuhören, und damit sende ich ganz liebe Grüße von der Insel der Götter, die wirklich sehr gut zu mir ist. Stelle ich jeden Tag fest, unser “Ponzi-Künstler” ist aus ein in Köln geborener Bayer, nicht aus Bali. Eine große Umarmung an alle. Niklas