Der erste Cowork-Space auf Bali
Wir sind traurig. Neulich Nacht kam eine Nachricht auf Facebook, die in unserer Gruppe, den Hubudians, für Aufsehen sorgte. Das Hubud, mein geliebter Arbeitsplatz, scheint es nicht über die Coronakrise zu schaffen. Ich war lange wach, sofort schalteten sich Hunderte Leute auf Bali und in der Ferne in die Diskussion ein und es wurde teils sehr hitzig; Offenbar schrieb der Besitzer Michael aus Australien, der im März 2019 das Hubud übernommen hatte und mit seinem Cowork in Canggu, dem Dojo, vereint hatte, eine gemischte Botschaft: Er hätte alles versucht, die Leute liegen ihm so am Herzen, aber es kommt eben kein Geld rein und die Miete dräue, aber es kam verkehrt rüber. Bei alldem muss man immer sehen, dass die ausländischen Business-Leute den Angestellten wahnsinnig wenig zahlen, vielleicht 1 Million Rupien, also 67 Euro im Monat. Auch wenn die Miete hoch ist, ca 3700 € im Monat, ergibt sich doch kein Grund, dass angesichts der Preise, die wir bezahlen (ziemlich das gleich wie in Freiburg im Cowork), die Lage nicht haltbar ist. Aber gut, es ist ein privates Geschäft und der Geschäftsmann trifft seine Entscheidungen. Nur dass er stundenlang von Familie sprach, uns alle, die wir aber so involviert sind, nicht vorher mit einbezogen hatte, wirkte komisch. Sofort kamen Angebote im Sinne von, finanzieren wir das doch über die Community, jeder müsste je nur 20 € zahlen, dann wäre alles sicher. Aber es ist eben schon zu spät, weil er die letzten Wochen alles nur mit sich selbst besprochen hatte. Die maßgeblichen Leute sind schon fort, der Rest eben auf der Flucht. Alles löst sich auf. Michael und ich haben dann noch sicher zwei Stunden lang miteiinander geschrieben, weil er das alles so schlimm fand, wie er behandelt wird und offenbar hat er sich für den Abend mich ausgesucht, das alles zu besprechen, aber weitergebracht hat es uns nicht.
Es war überhaupt ein etwas deprimierender Spaziergang heute. Mir fehlte Bewegung, Sarah und Sophia wollten einkaufen gehen, also entschied ich mich, nachdem ich heute früh erfahren hatte, dass das Milano ein paar Stunden tagsüber aufmacht um Haare zu schneiden, für einen hitzigen Marsch, gut 40 Minuten in die Stadt, am Hubud vorbei, durch leere Straßen, um mir den Pelz vom Kopf nehmen zu lassen, endlich!
Wer schon einmal hier war, wird diese Bilder nicht verstehen. Ubud ist sonst so trubelig. Unser Vermieter, Ketut, der Banjar-Boss (2.) ist, sagte uns neulich, dass man sogar die Abkürzungsstraße durch den Affenwald dichtgemacht hatte, damit es weniger Verkehr gibt in unserem Viertel. Heute ist sie immer noch zu, aber ich würde um keinen Preis da rein gehen. Die Affen haben das nun längst vollständig zu ihrem Territorium erklärt und werden einen nicht durchlassen. Nicht-Territorium dagegen ist der Ort selbst, keiner ist da. Die wenigsten Läden sind offen. Da wir in den Tropen sind, ist dies nach kürzester Zeit fatal. Ein Gärtner in Baden Württemberg mag ja schon mal meinen, es sei ein Problem, wenn man nicht wenigstens einmal pro Woche nach allem sieht, zurückschneidet etc. Hier sind Orte, die nicht frequentiert werden, nicht benutzt werden (und insofern auch nicht gepflegt werden) nach kürzester Zeit dem Zahn der Zeit ausgeliefert, überwuchert, verdreckt. Hier ein paar Beispiele, wie leblos die Stadt wirkt:
Unten links das Tutmak, in dem wir gerne waren — immerhin nutzen viele Geschäftsleute die Zeit ohne Touristen, um zu renovieren oder neu zu bauen. Es gibt schon Betrieb und überhaupt keine Knappheit, es gibt genug Läden, die offen sind, da ja kaum Langnasen hier sind. Wir überlegen uns momentan gut, wo wir einkaufen. Nicht, ob es das gibt, was wir brauchen, oder wo es billiger oder teurer ist, sondern, wen wir gerade mit einem Einkauf unterstützen können, wer es braucht. Das Village hier schrieb mir gerade, dass sie noch genug Sanitizer haben, also bestelle ich keinen neuen Alkohol. Sofort drängt sich die Frage auf, was brauchen sie dann?! Ich weiß, dass besonders auf dem Land die Armut zunimmt, die Regierung gibt Reissäcke aus, und auch kleine Checks, hört man. Auch Nomaden bringen sich ein und organisiseren Bestellungen in Villages, die dann dort abgeholt werden können. Genau weiß keiner, wie es den Leuten geht. Wir wollen uns nächste Woche mal darum kümmern. Vielleicht können wir eben auch einafch Reis kaufen… und ihn irgendwo hinstellen.
Meine Maskenidee ist gestorben. Nachdem ich 10 Masken an unsere balinesischen Nachbarn verschenkt hatte, schöne aus Baumwolle, und seitdem keinen von ihnen damit gesehen habe, muss ich das nicht weiterverfolgen. Und auch für Europa macht es keinen Sinn mehr; die Onlinedrucker haben das längst in ihre Programme aufgenommen. «Die Druckerei» wirbt mit einer Maske nach deinem Gusto für ein paar Euro, das Schiff ist davongefahren. Aber gut. Ich muss das nicht machen.
Keiner scheint mehr die Welt so recht zu verstehen. Hier nicht, zuhause aber auch nicht. Den Medien zu folgen, ist Irrsinn, dem man sich dennoch kaum entziehen kann. Mehr epidemisch als der Virus scheint mittlerweile die Informationslage zu sein, die WHO spricht von einer «Infodemie», so geht es mir auch. Fühle mich angeseucht von so vielen Informationen, die nicht konsistent sind. Geht es der Familie gut, heute ja, aber vielleicht, morgen mal sehen, und dann gibt es noch dies und das, Feinstaub, und 5G… Treibt mich in den Wahnsinn. Und die tollen Rettungsschirme, wer kriegt denn nun all das Geld? Lufthansa, Deutsche Bank? Die Kleckereien aus dem Kurzarbeitergeld habe ich beantragt, aber noch nicht einmal nach 3 Wochen ist meine Antrag wenigstens geprüft. Dabei bin ich sicher, dass bestimmte Unternehmen längst ihren Scheck erhalten haben.
Ihr seht mich also etwas ratlos, ist ja auch kein Problem. Denn Ratlosigkeit sehe ich allerorten. Ich bin nur immer noch erstaunt, dass ein keiner, mickriger Virus so machtvoll ist, dass er all das bewirkt hat, ohne dass wesentlich mehr Menschen an der Grippe sterben als in Zeiten, wo keiner auf die Zahlen schaute, letztes Jahr zum Beispiel. Wer versteht die Welt noch? Bitte melden!
Wie immer möchte ich, dass Ihr auf Euch aufpasst, dass es Euch gut geht und dass Ihr etwas mehr Glück als ich habt, das alles zu verstehen. Viele herzliche Grüße aus den traurigen Tropen. Niklas