Maskenball
Wir hören und lesen, dass sich die Coronosituation in Deutschland verbessert, auch in Spanien und Italien gibt es Signale, die mit vorsichtigem Optimismus verknüpft sind. Die Provinzregierung hier träumt bereits laut, dass es vielleicht ab Juni wieder so etwas wie Tourismus gibt auf Bali. Ich fühle mich da etwas gespalten. Wie vielen, erscheint dies auch mir eine sehr gemischte Botschaft: Einerseits ist der Virus so gefürchtet, dass man ansatzweise die Weltwirtschaft abschießt, andererseits wird es bei den ersten Zeichen eines Rückgangs der Ansteckungen gleich wieder lockerer. Unvernünftig wie ich selbst stets gewesen bin, habe ich deutlich mehr als einmal eine Grippe künstlich gestreckt, weil ich bei den ersten Besserungszeichen alle Vorsicht habe fliegen lassen und mich dem Gespenst «Rückfall» bereitwillig ausgesetzt habe. Ansteckend wie dieser Virus ist, könnte er in kürzester Zeit wieder überall sein, ob sich die Menschen dann, nachdem sie die Frühlingsluft bereits genossen haben, wieder freiwillig in ihre Wohnungen oder Häuser zurückziehen… mal sehen. Aber wir freuen uns natürlich über die Verbesserung, hoffen gleichzeitig, dass die Menschen vorsichtig bleiben.
Unsere kleine Desinfektionsmittelproduktion gedeiht, gerade kam jemand vom Stadtviertel, wo den ganzen Tag lang die Peccalang an Eingang und Ausgang stehen, um den Leuten die Hände abzusprühen, und sagte mir, ihr Vorrat sei nun weg, ob ich nicht noch mehr hätte. Also gab ich ihr die letzten 2 Liter, die eigentlich über Sarahs Bekannten Bradley an einen Bautrupp in der Stadt gehen sollten, wo man die Arbeiter schützen wollte. Aber da ich es nicht verkaufe, nur verschenke, brauche ich mir auch keinen Kopf zu machen, weiß eh nicht, wie lange das klebrige Zeugs in den Tropen hält. Heute früh kamen wieder 5 Liter reiner Arak aus dem Osten von unserem Schwarzbrauer, gestern fanden wir schöne Aloe-Blätter, also geht es morgen wieder in eine neue Runde.
Vor 2 Wochen, als Maskenpflicht aufkam, haben wir über ein tschechisches Paar, die sich in Candi Dasa, ca 2 Stunden von hier, ein paar Villas gekauft und sich quasi zur (sehr frühen) Rente gesetzt haben, einige Baumwollmasken bekommen, die sie dort nähen. Wir haben dann über einen Engländer aus Penestanan, der mir auf mein kleines Video geantwortet hatte, eine Technik gelernt, um mit gesättigter Kochsalzlösung Papierfilter herzustellen, die man in die Masken einlegen kann. Das ist übrigens ganz einfach und soll, lt der Forschungswebsite Natur, hocheffizient gegen Coronaviren sein. Man mischt Leitungswasser mit Salz, bis es sich nicht mehr klärt, dann gibt man Wasser hinzu, bis es wieder klar wird. Damit besprühen wir Klopapier in 4 Abschnitten, die wir auf die Breite von 2 Abschnitten zusammenfalten, also besteht ein Filter dann aus insgesamt 8 Abschnitten und ist 2 Abschnitte breit. Den lassen wir in der Sonne trocknen, die Fasern verbinden sich mit den Salzkristallen. Gelangt dann doch mal ein Virus in den Filter, wird er neutralisiert. Chinesen hätten dies herausgefunden, als sie am Impfstoff gegen die letzten Coronaviren gearbeitet haben, und wo während eines Laborversuchs der Virus nach Zugabe von Kochsalz zerbrach, also die Hülle. Naja, mit dem Klopapier ist das allerdings noch nicht optimal. Es befeuchtet sich hier sehr schnell wieder durch die Luft, überzeugt uns nicht. Also haben Sophia und ich gestern in der Stadt einen gestärkten weißen, eng gewebten Schuluniformrock gekauft, der den Eindruck machte, dass man sehr schöne Stoffilter daraus machen könnte. Sophia hat sie rausgeschnitten und umgenäht, gerade trocknen 4 in der Sonne im Garten, sie werden dann noch mit unserem Kochtopf, den wir heiß machen, übergebügelt und können dann verwendet werden. Tipp an Euch also: Maske ist gut, Stoffmasken mit Filtereinsätzen sind besser. Sie können 10 Minuten im Wasserkocher ausgekocht werden (90 Grad reicht dann auch), der Filter kann reingetan werden und dann ist man sicherer als bei einer Wegwerfmaske, die im übrigen an einer Krankenschwester mehr Sinn macht. Bitte auch an den Müll denken. Und täglich 10 Minuten Maskenarbeit bringt einen nicht um.
Über mir auf der Terrasse ist gerade Yogastunde. Ich war gestern dabei, deswegen mache ich heute Pause. Gleich kommt das Mittagessen, das uns nun in der dritten Woche werktäglich neue indonesische traditionelle, einfache aber organische vegetarische Mahlzeiten bietet. Wir sind immer noch begeistert. Wenngleich es hin und wieder (alle paar Wochen) auch mal schön ist, in eines der leeren Restaurants zu gehen um ein schönes Balinesisches Mahl zu genießen. Ansonsten ist die Versorgungssituation hier immer noch gut. Und wir dürfen ja raus zum Einkaufen, haben unsere festen Plätze für Obst, Gemüse, Wäsche, Brot, Wein, Bier etc. Wir sind also nicht in Not. Sozialkontakte allerdings fehlen. Wobei wir letztes Wochenende High-Fly-Yoga gemacht haben, also Yoga mit einer an den Deckenbalken befestigten Schlaufe, ca 15 km von hier, mit Bu, einem Vietnamesen aus Canada, den Sarah kannte. Stattgefunden hatte dies in einem Dorfprojekt, wo Ludwig (aus Franken) mit seiner japanischen Frau ein sehr großes Grundstück am Dschungelrand für 35 Jahre gepachtet hatte, um ein nachhaltiges, kulturintensives Lebenskonzept zu entwickeln. Er hat uns eingeladen, in sein Projekt zu investieren, und er würde uns eine kleine Traumvilla dort bauen, die wir ein halbes Jahr/Jahr selbst benutzen dürfen, ansonsten vermietet er sie für Retreats, die dort angeboten werden (Yoga, Meditation, Musik), wir teilen die Einnahmen, müssen uns selbst um gar nichts kümmern, nicht um Papiere, Pflege, Instandhaltung, nichts… eine Idee, die uns tatsächlich beschäftigt. Samstag fahren wir wieder raus und kochen zusammen, bzw werde ich wohl kochen. Eigentlich wollte Ludwigs Frau kochen, aber sie ist weg an dem Tag, da habe ich dann geschrieben, dass ich halt was koche. Bu kommt auch, es geht also wieder in die Luft. Eine wunderschöne Bambus-Shala haben sie da, riesig und luftig. Auch die Villas, es stehen bereits 2 oder 3, sind traumhaft schön und mit viel Liebe zum Detail dekoriert. Keine Klimaanlagen, aber in den Villas ist es angenehm kühl. Ludwig erzeugt aus Pflanzen selbst Gas zum Kochen, das Grauwasser wird über Pflanzen recycelt, Fische produzieren Amoniak-Dünger… das Konzept begeistert uns.
Derweil denke ich ernsthaft darüber nach, da ich jeden Tag eh Geld verliere mit der Firma, ob ich nicht eine kleine Investition mache, und eine Mundschutz-Masken-Produktion zusammen mit den Tschechen starte. Ich müsste ein paar Singer-Maschinen kaufen (gibt es in Denpasar für ca 120 €/Stück) und ein paar Tische, sowie Raum mieten. Mit den Tschechen habe ich heute eine Online-Konferenz, in der wir das besprechen. In der Hauptstadt habe ich einen Stoffdrucker gefunden. Meine Idee ist, für soviele Balinesen wie möglich Masken zu machen, die funktionieren, eben auch mit Filtern. Sie haben hier kein Geld dafür und es gibt auch keine guten, nur die ganz billigen, die sie hier ewig verwenden, das bringt gar nichts. Als weiteren Spaßfaktor denke ich, warum nicht die Masken selbst gestalten, für verschiedene Gegenden verschiedene Designs. Warum nicht eine schön gestaltete Maske im Gesicht haben, da wir eh auf gewisse Zeit Masken tragen müssen, zumindest in einigen Ländern. Also habe ich bei den Remote-Workern eine Anfrage gemacht, ob Designer aus der ganzen Welt nicht mitmachen wollen. Ich könnte dann jeweils Chargen von diesem und jenem Design machen und die Masken vielleicht sogar in anderen Teilen der Welt verkaufen. Ich habe auch Sales-People angeschrieben… Wer mitmachen will von Euch: Willkommen, gerne. Die Idee ist, dass die Tschechen fürs Nähen verantwortlich sind, ich für das Geld, die Designs und die Vermarktung, den Druck, Versand. So könnte ich zB Masken für Deutschland machen, bräuchte dann aber jemanden, der sie innerhalb D vertreibt. Naja, die Idee ist frisch. habe heute Nacht mit zwei Arabern gewhatsappt dazu, sie meinten, dass die Menschen in GCC eventuell Angst hätten vor Stoffmasken und eher Wegwerfmasken verwenden würden. Was meint denn Ihr? Mehr Müll machen oder schöne Masken tragen, die auch noch gefiltert sind? Würde mich interessieren.
So, jetzt muss ich den Tisch klarmachen, Essen kommt gleich. Aber ich wollte wenigstens ein kleines Lebenszeichen absetzen. Das Projekt https://www.silentcities.space/ läuft übrigens auch noch. Habe einen Bereich mit Stellungnahmen aufgenommen. Vielleicht will ja eine(r) von Euch auch etwas dazu schreiben, wie sich diese leeren Räume anfühlen (oder angefühlt haben). Immerhin wollen wir die Zeit der Krise nutzen, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Dazu ist diese Seite da. Ein paar meiner «Leser» haben sich ja auch schon verewigt…
Soweit für heute. Zusammen mit Oma verabschiede ich mich, wünsche Euch alles Gute und Liebe; passt auf Euch, tragt Eure Masken. Niklas