Kleine Welt

Die ruhig gewordene Straße hoch zum Affenwald, das Zentrum von Nyuh Kuning

Wer hätte das letztes Jahr gedacht? Was haben wir gestöhnt unter dem Gebrumm der in die Tausende gehenden Roller und Autos, mit denen wir es selbst bei kurzen Fahrten von oder zur Arbeit zu tun hatten. Es hatte Tage gegeben, an denen ich gerne in der Hitze gelaufen bin, weil ich das Gefühl hatte, dass ich schneller durch die Stadt komme als auf dem Roller. Und jetzt das…

Ubud ist eine Oase der Stille geworden. Touristen sind nicht mehr sehr viele da, und wenn dann halten sie sich an die Regeln, bleiben also zuhause. Angebote für Touren um die Insel, zu den Wasserfällen, Klöstern, zum Vulkan oder Tauchtrips, sogar Fahrten zu den Partyinseln nahe Lombok sind ausgesetzt. Wir sind in einem künstlichen Lockdown, da uns keiner sagt, wir dürfen nicht raus; sie bitten natürlich darum, nicht rauszugehen, aber wesentlicher ist, dass es draußen eigentlich nichts mehr gibt. Supermärkte haben noch offen, die Regale sind noch gefüllt. Hin und wieder sieht man eine kleine Warung (Kneipe), die wahrscheinlich offen ist, weil die Inhaber darin wohnen. Obst und Gemüse gibt es noch bei Ständen entlang der Straßen. Das eine oder andere Restaurant ist noch offen, zumindest wenn es einen Garten hat, auf dem man sozial distanziert sitzen kann, lohnen tut es sich für die Leute nicht mehr, offen zu haben.

Das hat uns unser Sayan-Bauern am Wochenende gebracht. Durchs Bringen und die Krise steigen bereits die Preise, das hier waren 24 €, gut gedoppelt.

Das hat uns unser Sayan-Bauern am Wochenende gebracht. Durchs Bringen und die Krise steigen bereits die Preise, das hier waren 24 €, gut gedoppelt.

Da wir ein schönes Zuhause haben, mit Garten und Pool, 3 Terrassen (incl der Dachterasse, wo es aber jetzt nach der Regenzeit schnell zu warm wird), und nur zu dritt sind, gehen wir uns nicht auf die Nerven. Jeder hat seine Sachen zu tun, Sophia ist am Kreieren von Armbändern, Ketten und standhaft immer noch dabei, sich aus einzelnen Fäden eine Yogamatte zu flechten (manchmal helfe ich, aber es ist eine Sisyphos-Arbeit), hört Podcasts und Hörbücher, schwimmt und nimmt manchmal an Zoom-Parties über das Internet teil, wenn ihre Freunde von der Uni sozialdistanziert feiern und dies auf dem Smartphone in vielen Fenstern zu einem Gemeinschaftserlebnis wird; Sarah hat noch Arbeit, wenngleich diese sukzessive abnimmt, ist unsere Yogalehrerin geworden (jeden Morgen macht sie das, ich bin aber nur alle zwei Tage dabei und wechsle Muskelkater mit neuer Anstrengung ab) und ist ansonsten viel am Lesen und Studieren und ich arbeite, soviel Arbeit eben da ist. Erstaunlicherweise ist es für mich noch viel, das Team in Freiburg bewegt sich nun immer mehr in Richtung Kurzarbeit. Seit ca 10 Tagen erhalten wir Nachrichten über Projekte, die geschoben werden müssen oder abgebrochen werden. Klar, warum sollte es uns anders ergehen. Die ganze Welt, bis vielleicht auf die Anwälte, Lieferdienste und Amazon (mein Anwalt sagte stets: Wenn’s der Welt schlecht geht, geht es den Anwälten gut… und Amazon hat gerade 100.000 offene Stellen zu besetzen) steht still, das ungewohnte Home-Office macht alle Prozesse schwergängig. Druckereien sterben wieder. Wie noch nie ist es an uns, unsere Kreativität vom reinen kreativen Erfüllen eines Auftrags auf kreative Überlebensstrategien zu richten. Ich schreibe dem Team darüber, so oft es geht (und mir etwas Gescheites dazu einfällt). Parallel versuche ich seit 2 Wochen, den Kunden ganz neue Ideen nahezubringen und damit neue Leistungen in unser Portfolio einzubauen. ich habe angefangen, Bücher als Webseiten aufzubauen und zwei Verlagen angeboten, das quasi als Werbemaßnahme während der Krise kostenfrei laufen zu lasse, damit die Leute zuhause die Bücher online lesen können. Ich arbeite an Lektüre auf dem iPad, die ganz nah am Bucherlebnis ist, habe neue Techniken, um Bilder zu bearbeiten, erlernt und biete diesen Service an, natürlich auch kleine Gestaltungsleistungen, Texten, Unterstützung bei der Pflege von Internetseiten, sozialen Netzwerken etc … man sieht, wir sind am Rudern, haben aber darüberhinaus noch eine ganze Reihe von Buchprojekten. Da sie stets lange dauern, fällt unser Kartenhaus auch nicht von einem auf den andren Tag zusammen.

Jetzt zahlt es sich aus, dass wir vor der Abreise letzten Februar die Kosten drastisch reduziert und alles nicht notwendige abgebaut haben. So ist es zumindest leichter, den nötigen Umsatz wenigstens teilweise reinzuwirtschaften, obwohl auch das wahrscheinlich nur aufgeschoben ist. Kurzarbeit wird demnächst beantragt, Soforthilfe auch. Mal sehen, wie lange die BRD sich das leisten kann. Unser Kunde VW ist nun mit 80.000 Mitarbeitern in KUG gegangen, die meisten machen es nach. Auch wenn Anfang des Jahres die Kassen voll waren, unendlich tief sind Angelas Taschen sicher nicht. Aber wie gesagt, ich habe noch jeden Tag zu tun, und wenn es Nachdenken ist, was wir tun können, um Geld zu verdienen. Parallel suchen wir uns Aufgaben, wie wir der Gemeinschaft hier in Ubud helfen können. Sophia denkt darüber nach, auf der Farm der Nachbarn mitzuarbeiten, wo Reis und bunte Blumen angebaut werden. Hier ist ja ein unglaublicher Bedarf an bunten Blumen, da alles, was einem lieb und teuer ist (und aus balinesischer Sicht heißt das schlichtweg ALLES), täglich mit schönen Blumen versehen wird. So auch unser Roller, der ungenutzt vor der Tür steht, die Tempelstufen, die Eingänge, der Schrein, der Garten, die Bäume, die Terrasse… Ich will eine kleine Produktion von Hand-Desinfektionsmittel aufbauen. Habe ein Rezept mit Ethanol, Aloe Vera, Ölessenz und ggf ein wenig Glycerin gefunden, was mir erfolgversprechend scheint. Im Internet habe ich mithilfe einiger Facebookfreunde einen Onlinehandel gefunden, der sogar noch Akohol hat. Ansonsten kriegt man das in Bali nicht mehr. Heute geht die Bestellung raus über einen Bekannten von Sarah, Bradley, der ein Geschäft in der Monkey Forest Road hat für Öle, Aromen, Heilmittel und einen Spa. Mein Sayan-Bauer hat mir 6 kg Aloe Vera Blätter versprochen, die wir schälen müssen, um im Mixer (den wir uns ausleihen) den Saft herzustellen. 250 kleine 100-ml-Pumpflaschen habe ich auch bestellt für den Anfang. Sobald alles da ist, gehen wir in die Produktion, da die Balinesen sehr darunter leiden, dass es nirgends mehr diese Mittel zu kaufen gibt. Sobald die Geschäfte und Restaurants aufgemacht werden, müssen alles eine Flasche haben, um Leute reinzulassen. So können wir wenigstens ein wenig mithelfen. Das Ganze geht aber auch nur, solange ich 96% Alkohol kaufen kann. Mal sehen. Wenn einer von Euch weiß, wieviel Glycerin man nehmen kann auf 80 ml Alkohol, 20 ml Aloesaft und 3 Tropfen Ölessenz, dann wäre das super. Ich denke, man braucht es nur für die Haut und damit der Alkohol sie nicht so austrocknet. Wasserstoff Peroxid habe ich auch bestellt, da offenbar der Alkohol nicht allem en Gar aus macht. Das wäre eigentlich eine tolle Aufgabe für mein Apothekertantchen…

Vorgestern habe ich unsere neue Unterkunft gebuch, eine kleine Villa mit großem Garten nahe an unserer alten Gegend, wo wir letztes Jahr waren. Am 18. Mai werden wir dorthin umziehen. Keine Ahnung, wie die Welt dann aussieht, liest man doch ständig davon, dass sich die Länder (unterschiedlich) auf die echten Spitzen die da kommen vorbereiten. Lese ich, dass es voraussichtlich Mai/Juni zum Höhepunkt kommt und zu den großen Crashs im Gesundheitssystem, dann scheint mir, dass wir evt nicht sicher sein können, Ende Juni zurückzukehren. Naja, was bringt das Raten?! Wir müssen die Situation beobachten, nicht die Nerven verlieren, gesund bleiben und uns dann dem stellen, was eben kommt. Privat sowie geschäftlich. Ich stelle fest, dass es mich wesentlich weniger deprimiert, die Firma wanken zu sehen, wenn es mit einer solchen Katastrophe zu tun hat, als wenn ich sehe, dass wir nicht gut genug waren oder Fehler gemacht haben oder Trends verpasst haben oder nicht aktiv genug waren. Das Bewusstsein, dass man nicht viel tun kann, außer Ideen zu entwickeln, flexibel zu sein, aufmerksam etc, und abwarten muss, wie sich die Dinge entwickeln, um dann irgendwann die Scherben aufzuheben, ist eines, mit dem ich viel besser umgehen kann. Anders als es in den Medien beschrieben wird, vor allem in dem Desaster in Nordamerika, kommt es mir so vor, dass dies ein Feind ist, den ich sehe, zumindest in den Zeitungen; den ich natürlich nicht begreifen kann und gegen den ich auch nicht viel machen kann. Aber es ist nicht ein tückischer Markt oder bösartige Konkurrenz oder eigenes Fehlverhalten, nicht ein schleichendes Gift, obwohl es ja genau das ist. Aber in meiner Wahrnehmung und mit der Abruptheit, mit der die Einbrüche kamen, sehe ich dass das, was uns kaputt macht, eine echte Katastrophe ist, der ich nur Mut und Ideenreichtum entgegensetzen kann. Und Vorsicht. Und Gleichmut.

Der verwaiste Tempel unseres Stadtteils

Gleichzeitig erstaunt es mich immer noch, wie gravierend die positiven Effekte der weltweiten Lockdowns sind. Es begeistert mich zu sehen, welche massiven Auswirkung es hat, wenn wir komischen Wesenheiten und unsere Industrien einfach mal für ein paar Wochen die Füße stillhalten. Ich studiere Satellitenbilder von Ballungsgebieten, die klaren Himmel und Smogfreiheit zeigen. Man kann es nicht nur messen, wieviel weniger CO2 erzeugt wird, die Zahlen sind sogar sehr groß. Fast wünscht man sich, diese Phase würde so lange wie irgend möglich gehen, damit der Planet sich noch ein wenig mehr von uns erholen kann. Aber klar, die gesundheitlichen, zozialen und wirtschaftlichen Implikationen sind massiv und können nur so und so lang ertragen werden. Aber es fragt sich schon: Gäbe es eine Instanz, die uns Menschen und den Planeten mit all seinen Problemen beobachtet, sowie die gute Greta, wie sie sich abmüht, den Erwachsenen Vernunft einzubläuen, was hätte diese Instanz wohl inszeniert, wenn sie die Mittel gehabt hätte, mit einem Streich eine Radikalkur einzurichten, die wirklich etwas bringt? Naja, ich denke, sie hätte einen Virus gebaut, im Winter, der insbesondere die sozial hyperaktiven Länder, in denen man geballt aufeinander schuftet, leidet, feiert, angreift und dazu zwingt, alles fallen zu lassen, die unsinnigen Reisen, Kreuzfahrten, Flüge, Autofahrten, die ganzen missbräuchliche Massenproduktion und den Konsum. In einer Entschlossenheit, der wir machtvollen Menschen schlichtweg nichts entgegenzusetzen haben. Wenn Greta uns noch nicht nachdenklich genug gemacht hat, diese Situation und ihre Auswirkungen auf die Erde sollte es. Das ist mein kleiner Beitrag zur Vielfalt der gerade entstehenden Verschwörungstheorien.

Mein Aufruf vom letzten Mal gilt noch: Danke an die, die sich gemeldet haben, ich weiß das sehr zu schätzen; aber es waren nur einige und auch unter denen gab es Fälle, wo ich sagen muss, dass es im Leben Situationen gibt, wo die Würze nicht unbedingt in der Kürze liegt. Wir sind also immer noch und nachhaltig interessiert an Euch. Lasst uns weiter wissen, wie die Lage ist, und ich höre auch nicht auf, von uns zu berichten — scheint fair.

Jetzt passt weiterhin gut auf Euch auf, bleibt zuhause, wascht Hände, näht Masken, wenn ihr Nähmaschinen habt, bleibt gesund und langweilt Euch nicht. Schaut einfach aus dem Fenster und freut Euch, wie der Planet aufatmet. Viele liebe Grüße, Niklas