Sesshaft
Viel gibt es eigentlich nicht zu berichten. Wir sind nun 10 Tage im Languedoc und haben uns gut eingelebt. Wir hatten seit unserer Ankunft viel Gesellschaft, phasenweise waren wir zu siebt. Dieses Wochenende steht eine Veränderung an, da Sophia am Freitag heimfährt, ein netter Besuch aus Freiburg abfährt, am Sonntag Mary und Georg sowie Sarah und Rocco zurück nach Freiburg fahren. Sie machen das, weil sie nur so sehr alte Freunde aus den USA treffen können, die eben nur dann und nur kurz da sind. Rocco fährt mit, weil ich am 29. für ein paar Tage nahe Venedig ein Treffen mit meinem kuwaitischen Projektpartner und der Druckerei habe und Sarah mit Mary und Rocco erst an demselben Sonntag wieder hierher zurückfahren können.
Nächste Woche werde ich hier also ein paar Tage allein sein, habe aber Arbeit genug und fühle mich so wohl in dieser Umgebung, dass das gut geht. Mein Bruder wird wohl auf dem Weg nach Deutschland für 2-3 Tage hier bleiben, und am Freitag Abend kommen dann Matt, Pani und ihre Kinder aus Nizza, die ich dann am Sonntag im Van mit zurücknehme. In Vicenza geht es dann ab Montag sowohl um den nahenden Abschluss eines aktuell produzierten royalen Projekts, wie auch um die drei neuen für Kuwait und Qatar, an denen ich seit Mai arbeite. Außerdem will mein Projektpartner mit mir über eine gemeinsame Firma sprechen, in der wir drei Parteien (also er selbst für Inhalte, Bilder und die Kontakte in der Golfregion, mein Freund Antonio mit seinen Produktionsressourcen und ich als Designer, Konzeptmacher und Produzent) gemeinsam als Firma auftreten, werben und mehr dieser aufwändigen aber tollen Projekte an Land ziehen. Ich hoffe, dass ich Dienstag dann wieder zurückfahren kann bis Nizza, Mittwoch Mittag dann wieder hier bin.
Gestern musste ich mal wieder die Drohne auspacken, weil am Wochenende (das haben wir ja auch) alle Federbälle verschossen waren, also haben wir mit Luftbildern gesucht und sie auch gefunden, allerdings nur den einen im Baum holen können, bei dem auf dem Dach müssen wir wohl den nächsten Regen abwarten.
Sophia findet, ich arbeite zu viel. In der Tat war das aber auch einer der Hauptgründe für die Miete des Hauses. Dennoch finden wir immer wieder Gelegenheiten für Boulespiele, Federball und natürlich auch erfrischende Bäder, Spaziergänge in der Hitze, Wir haben immer noch über 30 Grad und genießen diese von Morgens bis Abends, besonders die Stunden, wenn nach der heftigen Nachmittagshitze das Licht sehr warm wird und die Zeit für einen kühlen Rosé gekommen ist. Dazwischen gibt es viele Telefon- oder Videokonferenzen mit Kuwait, aber auch mit Deutschland, eMails und aktive Arbeit immer noch an den Trees, deren Crowdfunding in drei Wochen beginnen soll.
Wir kennen mittlerweile eigentlich alle Straßen hier. Es ist ein belebter Ort, in dem aber nicht viel passiert. Er ist angelegt wie eine Burg, da der Herault zu ganz mächtigen Überschwemmungen neigt. 1997 war er auf 6 Metern, insofern ist der ganze Ort nun umgeben von einem Steindamm, von beachtlichen Ausmaßen. Es ist allerdings gerade kaum Wasser im Fluss, die ganze Landschaft ist trocken, wenngleich eben trotzdem grün und baumreich.
Vom Dorfleben bekommen wir nicht viel mit. Am Wochenende gab es einen Sportevent am kommunalen Sportplatz, wo sie irgendwie Baseball gespielt haben oder wenigstens eine spanische Variante davon. Vorhin, wir waren kurz mit dem Hund draußen, kam wie jeden Tag ein französischer Chanson aus dem Megaphon am Kirchturm, einer alten Templerkirche, mit der Ansage dass heute Abend, 18:15 im Sall des Volkes ein japanischer Film vorgeführt würde… Die Leute hier kennen sich natürlich alle, und spätestens in 4 Tagen, wenn wir nach 2 Wochen immer noch sind, werden sicher die ersten kommen und fragen, was für Leute wir sind. Der erste, Daniel, hatte mir neulich vom Fahrrad herunter schon auf den Zahn gefühlt. Viel Aufregung gibt es also nicht, naja, die Schlange auf dem Weg raus aus dem Dorf vielleicht. Als Rocco und ich an ihr vorbeikamen, hat sie sich tot gestellt, zumindest kam mir das so vor. Rocco hat sie gar nicht gesehen, glaube ich — er tut sich mit Kaltblütlern eh nicht leicht.
Ach ja, noch jemanden aus dem Dorf habe ich kennengelernt — mein Vermieter nennt sie die Inquisitorin des Tri. Tri ist hier das Recycling-System, das so anders ist als wir es kennen. Geht es in Deutschland darum, dass der Restmüll-Behälter klein ist und so wenig wie möglich da rein soll (wegen Biomüll und Gelbem Sack), so scheint es hier gerade das Gegenteil zu sein: Unser Recycling-Depot ist wirklich minimalistisch und sehr sauber. Hier dürfen nur rein: Papiere, saubere Dosen, harte Plastikflaschen, und das ist es auch schon weitestgehend. Wir brauchten einen Moment, bis klar war, dass neben organischem Müll eben auch Cellophan, Plastikverpackungen, Styropor und so vieles andere, was wir in den Gelben Sack tun würden, zum Restmüll geht. Da wir keine Wasserflaschen oder Lenorflaschen und wenig Dosen kaufen, sind wir vermutlich nicht der klassische Typ Verbraucher. Und ja, in die Recyclingtonne dürfen keine Müllsäcke, letzten Freitag früh kam eine echte Furie aus der Nachbarschaft (eben die Inquisitorin) zu mir und ging hart mit mir ins Gericht. Unsere gelbe Tonne hatte graue Säcke drinnen. Offenbar hat sie das bei einem morgendlichen Kontrollgang an den zur Leerung bereitgestellten Tonnen gesichtet, und sie forderte mich dann auf, dies erst zu trennen nach den Regeln, sonst würde sie eh nicht mitgenommen werden. Nur war das alles nicht unser Müll, sondern eine unangenehme Angelegenheit mit vielen Larven und Maden und fremden Säcken. Wir haben also am Wochenende dann ein paar Säcke iin den Van geschmissen und entsorgt an einer Sammelstation und so die Krise bearbeitet. Hoffentlich wird nun die Tonne, in dir oben unseren blitzsauberen wenigen Recyclingabfall geschichtet haben (auf die Maden und Restsäcke) am Freitag früh abgeholt.
So, jetzt muss ich Schluss machen. Sophia will mit mir Kant lesen. Das ist eine interessante Aufgabe. Seit ein paar Tagen studieren wir Absätze aus der Praktischen Vernunft, durch die man sich schon durcharbeiten muss. Ihr machts mal gut und passt auf Euch auf. Viele Grüße, Niklas