Immer weiter nach Süden
Vorgestern sind wir in Morar aufgebrochen und unwissenderweise entlang einiger Wahrzeichen aus den 8 Harry-Potter-Filmen gefahren, raus aus Schottland. So schöne das alles ist, Glennfinnan (die Brücke, über die der Dampfzug fährt, während Harry und Ron in einem fliegenden Auto versuchen, die Verspätung aufzuholen), die Zugstrecke überhaupt (entlang derer auf jedem Parkplatz Menschen mit ihren Fotoapparaten standen, um den Zug zu fotografieren) und natürlich Eilean na Moine, wo der Dreifach-Cup stattfindet und später Dumbledores Grab sein wird, es ist kalt, zugig, stürmisch und ein wenig unkomfortabel. Man braucht einfach das eine Zimmer mehr, das sich einem in allem präsentiert, was außerhalb des Vans ist. Markise, Tisch, Stühle, Ausblick, warmer Rasen unter nackten Füßen… all das ist “notwendig”, wohingegen eine grandiose Landschaft eben einfach eine grandiose Landschaft ist.
Wir fuhren über Glasgow runter in die Gegend von Dumfries, Galloway, wo wir irgendwann in dem Dorf mit dem traurigen Namen Lockerbie am Supermarkt anhielten. 1987 hatten Libysche Terroristen eine Boeing 747 mit Plastiksprengstoff in der Luft in die Luft gejagt, alle starben; stattgefunden hat dies über dem 4000-Seelen-Kaff Lockerbie, nördlich vom Hadrianswall. Diesel ist teuer im Königreich, deswegen kaufen wir so oft mgl bei Tesco ein, wo man uns ab 60 Pfund einen Gutschein gibt, der uns 10 Pence pro Liter beim Tanken spart. Doch leider gab es in Lockerbie keine Tankstelle am Supermarkt, wir waren aber klamm. Die nette Kassiererin schickte uns nach Annan, wo ihrer Meinung nach eine Tankstelle ihres Konzerns wäre, und so kamen wir in eine ganz ländliche Gegend um Gretna Green herum. Gretna Green ist nicht nur bekannt, weil Joschka Fischer dort seine erste Frau geheiratet hatte, aber es hat damit zu tun. In England hatte es irgendwann in der Vergangenheit einen Parliaments-Beschluss gegeben, dass Minderjährige die Erlaubnis ihrer Eltern brauchten, um heiraten zu können. Und da ohne Heiraten auch kein nennenswerter Austausch von Zärtlichkeiten möglich war, führte das natürlich zu Konflikten. Da Schottland diese Regel schlichtweg nicht ratifiziert hatte, erwarb sich Gretna Green an der schottisch-englischen Grenze bald den Ruf, das Mekka der Minderjährigen zu sein. Standesbeamter in Gretna Green war der Schmied, die Hochzeit wurde, falls ein wütender Vater nicht doch noch rechtzeitig einschreiten konnte, vor dem Amboss und mit ein paar Schlägen auf denselben geschlossen. Ich denke mal, es war der Noch-Rebell im guten alten Joschka Fischer, der sich Symbole gesucht hat, da seine Turnschuhe als Symbole ja auch nicht ewig reichen konnten.
Wie dem auch sei, auf der Suche nach der Tesco-Tanke kamen wir in einen kleinen Nicht-Ort, also einen Ort ohne Häuser, der aber wirkt wie ein Ort, Hoddom genannt. Gleich am Eingang sahen wir ein Schild, welches zum Hoddom Castle Campingplatz wies. Obwohl ungeplant, fuhren wir da einfach rein, ein Schloss hatten Sarah und ich eh bereits ins Schottland sehen wollen, der Schlosstourismus (400 Pfund die Nacht) war nur über unserem Budget. Warum also nicht hier, immerhin sind wir gerade noch in Schottland.
Hoddom war einer der Sitze des Maxwell-Clans, die in der frühen Moderne hier geherrscht und vermutlich auch mit Mary Stuart familiär verbunden waren. Hauptsitz ist ein Wasserschloss in Dumfries. Heute sind sie überall, vor allem in USA und Canada, pflegen ihr Erbe, eine Vielzahl von schottischen Schlössern, auf einer simplen Webseite und machen ansonsten sonstwas. Unklar. Dieses Schloss hier ist ein Beispiel für Überfluss. Vor ein paar Jahrzehnten hat es im Haupthaus gebrannt, man hatte es dann aber einfach so gelassen, die Familie, wie uns der “Warden” sagte, habe Schlösser genug, dies sei Kulisse für eine Campsite. Und das war es auch. Wir fanden es grandios, 2 Kilometer durch einen schönen alten Wald zu fahren, um überhaupt vors Schloss zu kommen, wir stellten den Van dann neben 500 Jahre alten Säulen, die eben im Gras standen, ab und gingen ins Coach-House, die Kutschenremise, um Bier und Essen zu erhalten. Nicht schlecht, Sarah war sehr happy, dass wenngleich leicht simpel, so doch noch ein Schlossevent in unsere Reise einging, wunderbare Bäume um dieses irrsinnig große Anwesen.
Hier noch ein paar mehr Bilder vom Anwesen. Der Fluss Annan fließt rundherum. Im Coachhouse hing ein 50 Pfund schwerer Lachs, der 1893 dort hinausgeholt wurde. Besonders beeindruckt waren wir von den Dark Hedges, die kleiner als die berühmten nordirischen aber dennoch grandios sind:
Tags darauf wollten wir aber dennoch zurück in die Wärme, es gab das Gerücht, dass das Wochenende in Wales bis zu 30 Grad warm würde. Schafzüchter und sture Farmer hin oder her, wir wollten da hin, also ging es schnurstracks gen Süden. Leider nur ist am Montag Nationalfeiertag im Königreich und alle Britons wollten entweder in den Lake District oder ins warme Wales, also hatten wir ein ziemliches Kuddelmuddel mit dem Fahren. Wir kamen aber bis runter nach Blackpool, Liverpool, dann aber hatte es uns verkehrsmäßig erwischt und alles zeigte sich verstopft. Also wir einfach wieder umdisponiert und den Britstop-Führer rausgekramt. 20 Kilometer östlich von Chester fand sich ein Pub/Deli, das gar nicht so verkehrt aussah. Da sind wir also hin, dem Verkehr entgehend und endeten in strahlendem Sonnenlicht in einem wunderbaren Biergarten:
Endlich wieder warm, egal, dass wir an einer Landstraße standen, wo die LKWs entlang bretterten, das Essen war gut, die Weinkarte anständig, sie hatten sogar einen Albariño, wir entspannten, es war so schön festzustellen, wie einfach am Ende doch unsere persönliche Bedürfnispyramide gebaut war. Schwitzen, check, Sonnenbrille, check, Augen brennen, check. Great!
Das Dorf war eine echte 90er Jahre Trabantenstadt, allein aus Fertighäusern, also müssen wir darüber nicht sprechen. Wie meistens gab es keine Fußwege, keine Möglichkeit für einen vernünftigen Spaziergang, aber das zeigt sich mittlerweile hier im Königreich fast überall, natürlich kaum in Schottland, da ist Platz. Hier stellt sich gar nicht die Frage nach dem Wildcampen, weil es schlichtweg nicht geht. Man findet ja kaum einen Ort, wo man mal anhalten könnte, um zu pinkeln oder Gassi zu gehen. Die kleinen Landstraßen entlang der Hecken lassen immer mal wieder einen Durchgang frei, aber nach 2 Matern ist da ein Gatter. Alles gehört jemandem, ganze Wälder sind eingemauert, weil da irgendwo ein blöder Baron in einem Herrenhaus lebt. Klar es ist durchorganisiert, und es gibt Campingplätze, aber die wollen wir ja nicht. Ohne Britstop wären wir verloren hier. Ich finde es wirklich unanständig, dass jeder Quadratmeter Privateigentum ist, und mich stört das gewaltig.
Heut sind wir dann weiter immer noch südlich, um ans westlichste Ende von Wales zu kommen in die Grafschaft Pembrokeshire, dem Golfstrom (hoffentlich) am nächsten. Auf dem Weg haben wir mal angehalten, um einen Spaziergang zu machen, glücklicherweise zwingt unser Begleiter uns dazu. Hier ein paar walisische Impressionen:
Wir sind nun in St. Davids, quasi am walisischen Finisterrae. Auf einem Campingplatz. Die Anzeige des Platzes hatte uns getäuscht: “Camping Wild Wales” hatten wir so verstanden, dass es hier vielleicht etwas gäbe, was ganz nach unserem Gusto ist, eine Mischung von erlaubtem Wild-Campen, ganz so hatte es ausgesehen — es ist schön, aber es ist nicht wild, not at all, es ist einfach nur ein Campingplatz ohne Strom, ohne Internet und ohne echte Struktur, es gibt da untem am Farmhouse ein paar Toiletten und eine Dusche, aber das hilft nichts, es ist einfach nur ein Amatuercampingplatz mit einem gewissen Charme, aber ganz und gar nicht wild. Angesprochen darauf meinte der Betreiber, nicht das Campen ist wild, sondern Wales ist wild, eben Camping im Wilden Wales, da kann ich aber nur mühsam schmunzeln. Schön ist es aber doch, besonders, weil es warm ist. Wir stehen über der Steilküste, natürlich sind Felder überall, es geht im Königreich ja nicht ohne Bauern, und wir kommen gut klar mit der Solarbatterie, genug Frischwasser und genug Gas. gerade hatten wir ein wunderbares Mal auf Kürbis (Butternuss) und Huhn, jungen Kartoffeln, genossen mit chilenischem Sauvignon Blanc; gleich nach der Ankunft hatte ich kurz die Drohne fliegen lassen, um die Umgebung einzufangen. Dies hier also als Abendgruß, machts gut und passt auf EUch auf, liebe Grüße, Niklas