Die Highlands
Neulich morgen sind wir von Yorkshire mit nassen Füßen und zunehmend häuslich belagert von einer steigenden Verschmutzungsrate im Van losgetuckert, gen Norden, auf kleinen, bisweilen extrem kleinen Wegen. Die Landschaft in diesem großen Nationalpark am nördlichen Ende der Midlands ist sehr schön. Waldreiches Farmland, voller Schafe und diesen schönen steinernen Mauern. Hier zwei Bilder vom Übergang Yorkshire nach Cumbria, wo wir uns nicht lange aufgehalten sondern eher kurz für ein Foto gehalten haben, zum Herumwandern eh viel zu kalt:
Von Cumbria ging es weiter über den Hadrianswall, die römische Nordgrenze von einst, und bald darauf betraten wir Schottland, wo wir es wieder einmal mit dem Britstop-Modell versuchten. In der Gegend von Larnack in den Uplands, kahlen erodierten Hängen ohne nennenswerten Charme, hatten wir das “Höchstgelegene Hotel Schottlands” (im Besitz des völlig sinnlosen ebenfalls höchstgelegenen Golfplatzes Schottlands) auf 1500 Fuß entdeckt, dort angerufen, und ja, man freue sich, uns zu sehen. Auf dem Weg dorthin sahen wir mit Schrecken, wie kilometer lang ganze Hänge entwaldet worden waren, aber komplett. Wir vermuteten eine Krankheit als Auslöser für diesen massiven Kahlschlag… aber dazu gleich mehr. Kurz vor den Uplands hatten wir noch einen schönen Spaziergang mit Rocco zwischen Fluss und See, außerdem konnten wir in einem ländlichen General Store unsere Vorräte an Wein und Rauchwaren ergänzen — das schmale Angebot an 3 Äpfeln, 2 Schickorés und 3 Eiern habe ich dann liegen gelassen; ein erstaunlicher Laden: Fast nichts Frisches, aber dafür 100e von Kekssorten und Fertigsuppen wie Naschwaren, aber immerhin eine anständige Auswahl an Weiß- und Rotwein zu bemerkenswert guten Preisen, fast wie daheim.
Hinter dem Hotel in Leadhill gab es einen kleinen Platz, den Hang hinauf, wo sie sogar Elektroboxen hatten, damit wir den Wagen anschließen konnten. Das Wetter hier auf 500 Metern war grauenhaft, und bei den Brtistops heißt es immer, man solle sich vorsichtig verhalten und sich nicht so ausbreiten, aber bei Regen und Kälte stand uns der Sinn eh nicht nach Tisch raus und Gartenstühlen. Also nichts wie rein ins Pub, das über einen Hintereingang des Hotels erreicht werden konnte (der Vorder- und Seiteneingang führte zu Hotel und Restaurant); es war vielleicht 14 Uhr, also optimale Zeit für eine kleines Pubabenteuer. Im Pub wurden wir wie alte Bekannte begrüßt, vielleicht half es, dass die beiden Senioren John und John, die beide ein wenig wie inventarisiert wirkten, schon einen Moment beim Bier saßen… also setzten wir uns zu ihnen mit Guinness und Ale und kamen sofort ins Gespräch. Es war sehr lustig, und als dann noch Johnny, irischer Rocker mit Gandalfbart und Kathy, beide trinkfest, dazustießen und ein paar Partien Dominoe gespielt wurden, ging es bereits hoch her. Gegen halb vier bin ich dann mal raus und habe mit dem Hundle einen Gang in die Höhe unternommen, in strömendem Regen und durchaus bibbernd. Gegen Abend bin ich dann wieder in den Pub gegangen, wo Sarah und John, John, Johnny und Kathy sowie noch weitere Folks aus dem Village beim Poolspielen angekommen waren und die Stimmung wirklich gut war — wie man sich das eben vorstellt. Feucht-fröhlich und sehr entspannt. Was sollte man auch anderes bei derartig schlechtem Wetter treiben?!
Am nächsten Morgen und nach einem zünftigen Einkauf bei Tesco ging es an Glasgow und dem Touristenparadies Loch Lomond vorbei in die Highlands. Das Bild oben ist schon sehr schottisch, diese runden Berge, Schafland, eine überschaubare Anzahl an Bäumen. Der Weg in die Highlands war schwer zu fahren, es hat geschüttet, bzw. hat es alle 5 Minuten schwer geschüttet, dann wieder einen Moment lang nicht, dann wieder wie verrückt. Das ganze Land ist durchzogen von den Lochs, Fjorden, die zT sehr lang gehen, sodass man sich schon gut überlegen muss, wie man fährt und wohin, und ob es irgendwo eine Brücke gibt.
Weil es so kalt und lausig war, hatten wir uns entschlossen, einen Campingplatz zu suchen, damit wir wenigstens duschen können und kamen auf Glencoe am Loch Leven. Sarah hatte ein paar Tage früher mal geschaut, was denn die echten Hingucker in Schottland wären; witzigerweise war einer dieser Hingucker die “Drei Schwestern”, drei Bergkegel in den Highlands, an denen wir dann zufällig anhielten, um ein Foto zu machen, und unter denen wir genauso zufällig (eben in Glencoe) zwei Tage standen (dieses Bild sowie das am Anfang).
Diese monumentalen Kegel sind viel größer als die Bilder zeigen, weil es eben so neblig und stürmisch war. Lange laufen konnten wir dort auch nicht, da alles moorig ist und man tief einsinkt, selbst Rocco. Wir waren dann froh, am Abend in Glencoe einen Platz auf dem örtlichen Campingplatz bekommen zu haben, und es kam dann noch ein kleines Fleckchen Licht raus beim Blick über das Loch (oder den Loch):
Da wir genau da waren, wo 1986 der Film “Highlander” spielte, dachten wir, dass unser letztes Gigabyte aus dem Handyvertrag gut in einen Download des Filmes investiert wäre und haben ihn gestern Abend angesehen — staunend, dass wir die Gegend im Film wirklich erkannt haben — doch traurig zu sehen, wie schlecht der Hauptdarsteller als Highländer ist und wie langweilig die Filme in den 80er Jahren teils waren. Schottland jedoch ist schon toll. Zumindest sagen wir uns das dauernd und ich sags jetzt mal laut! Klar, dass es helfen würde, wenn wir die Wintersachen hinten raussuchen und Frieden mit dem Klima schließen würden, aber irgendwie schaffen wir das nicht so gut — da wir noch nicht krank geworden sind, können wir die Begegnung mit der Wahrheit durchaus noch rauszögern.
Der kleine Ort Glencoe ist ganz hübsch. Es gibt eine Kneipe und ein Hotel, einmal haben wir uns Pubessen geholt und naja, es ging. Die Speisekarte war toll, beeindruckend sogar, mit Hummer und Muscheln, Langoustinen, Angus Beef und so, aber sie haben das Essen ein wenig gequält beim Kochen oder Grillen. Wir sind in Glencoe noch ins Museum gegangen, wo sie alle möglichen historischen Stücke eines ehedem schottischen Alltagslebens zusammenklamüsert haben — ich denke mal nach dem Prinzip: Was wir haben, haben wir. So schien mir insbesondere eine Orangenpresse aus Stahl ein komisches Zeugnis der schottischen Alltagsgeschichte zu sein, aber immerhin haben wir einiges gesehen, sowie eine Ausstellung zum Massacre, das die Briten im 18. Jahrhundert dort im Ort angestellt hatten, wo sie es tatsächlich fertig gebracht haben, sich 14 Tage mit 12 Mann beim Clanführer (McDonald) einzunisten, jeden Abend zu essen und zu trinken, um den Clan dann am 13. Tag abzuschlachten, die Clans-Chefin/Ehefrau des Clansführers im Schnee verenden zu lassen… Die Wälder, sowohl in den Uplands als auch in den Highlands, wurde uns gesagt, sind zu gewissen Teilen Forstinvestitionswälder, also steuerbegünstigte Fonds-Wälder, in die investiert wird, wo dann gepflanzt wird, um natürlich irgendwann zu “ernten”, die Dividenden müssen ja auch verdient werden. Traurig ist nur, dass die Ernten richtig krass mit schwerem Gerät rieseige Schneisen in die Hänge ziehen und grundsätzlich schönes Waldland dann aussieht wie Kriegsgebiet. Aber Rocco und ich haben trotzdem noch malerisch-moosiges Busch- und Waldland entlang des Lochs gefunden:
Heute früh weckte uns überraschend mal wieder die Sonne, zumindest war sie zwischen 7 und 8 Uhr tätig, da sind wir gleich mal raus um ein paar Bilder zu machen. Sofort, wenn die Sonne da ist, wird das alles gleich schön; auch kalte Füße fühlen sich ein bisschen weniger kalt an.
Gleich um 9 Uhr haben wir also nach einer kleinen Recherche und der Entscheidung, dass wir nicht auf die Äußeren Hebriden fahren (die Fähren sind sehr teuer und das Wetter ist dort dann doch nicht so viel besser), den Ort Morar, von wo aus man auf den Atlantik und auf Skye blickt, ausgesucht und dort angerufen und den letzten Platz reserviert. Auf dem Weg hierhin, entlang der Dampfeisenbahn, die man aus den Harry Potter-Filmen kennt, hat es wieder geregnet, letztlich kamen wir aber wieder an grandiosen Gegenden vorbei. Wie z.B. dieser Insel mit den stokeligen Bäumchen (erstes Bild, Eilena na Moine) und das ruhige Loch Eilt (zweites Bild).
Kurz vor Morar sieht es so aus wie an den aquitanischen Küste bei Arcachon, weißer Sand und grasige Dünen, dahinter Weiden, Pinienwälder. Die Temperaturen sind allerdings anders, aber das hatten wir schon. Hier ist jetzt, gegen 16:30 immer noch Sonne. Alles gut also. Wir bleiben noch ein paar Tage, das Internet ist sehr gut, die Leute sind nett. Es muss Wäsche gewaschen werden und ein wenig Ruhe ins Reiseprogramm einkehren. Von unserer nächsten Etappe (Kroatien) sind wir jetzt 3000 Kilometer weit weg, besser nicht dran denken. Unser Spaziergang in den Dünen und am Strand war auf jeden Fall schön, wieder alles voller Karniggels, Rocco in seinem Element. Ein paar Bildchen zum Schluss, Ihr machts mal gut und passt auf Euch auf, viele liebe Grüße, Niklas