Wwoofing
Ein wunderbarer Eröffnungscafe im Wohnwaren-Kaffee
World-Wide Opportunities on Organic Farms (Weltweite Gelegenheiten auf BIO-Betrieben, WWOF) ist ein neuer Hit in der Workaway-Bewegung. Heißt, man reist herum und anstatt sein Geld auf Campingplätzen oder Hotelanlagen zu verstreuen, mit denen man eh meistens nicht wirklich glücklich ist, geht man auf einen Hof oder etwas ähnliches und packt einfach ein bisschen mit an, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und das machen wir gerade in den Niederen Tauern in Mariapfarr bzw. Mauterndorf in Österreich auf 1200 Metern. Aber ich berichte lieber von Anfang an.
Auf dem Pass am Ende der Soca-Schlucht
Wir haben die Soca sehr genossen, wenngleich wenig Wasser drinnen und sie selbst saukalt war. Am Tag der Abreise nordwärts sind wir in diesem Teil Sloweniens geblieben, wir konnten uns nur schwer losreißen; allein das türkisene Wasser war ein Traum. Aber wir hatten eine Verabredung mit einem slowenischen Drucker, der doch fast 10 Jahre für uns gearbeitet hat, zum Mittagessen in Kranjska Gora (wo diese Riesen-Schischanze steht).
Die Soca am Nordlauf
Der kleine Badesee in Kranjska Gora
Die Julischen Alpen sind wunderschön. Wir hätten uns gut vorstellen können, länger in Slowenien zu bleiben, aber erstens hatten wir Pläne und zweitens haben sie sich eben auch von einer doch sehr spießigen Seite gezeigt, wie bereits erörtert. Nach einem schönen Mittagessen mit unserem Drucker Martin und seiner Frau ging es dann wieder einen andren Hügel rauf, an dessen Ende Villach lag; dort wollte ich unbedingt nach einem Ersatzteil suchen für die vom Vicentiner Hagel zerstörte Dachluke, aber man hatte nichts und überhaupt, wir sollten einfach etwas Tape draufhauen und gut ist…
Auf der Landstraße ging es dann gemütlich Richtung Katschbergpass und hinunter nach Mauterndorf, einem durchaus interessanten Städtchen mit Tradition. Es liegt im Lungau, im Salzburger Land. Selbst empfindet es sich als das Milchherz Österreichs und in der Tat strotzt dieses ganze Tal vor grünen Wiesen und Hängen. Es ist urgemütlich, lädt ein zu schönen Spaziergängen und liegt auf 1200 Metern.
Mauterndorf, die wertvolle Taurach
Der erste Wohnwaren-Kaffee-Flyer
Sarah hatte vor ein paar Wochen in Bayern Anna kennengelernt, die uns kurzentschlossen hierher und in ihr Haus eingeladen hatte. Zusammen mit ihrem Mann Rainer haben Sie am vergangenen Samstag ihr Wohnwaren-Kaffee eröffnet, also ein Café, in dem fast alles ein Preisschild hat, manche Sachen sind restauriert, manche einfach nur gebraucht, manche aber auch schöne neue Accessoires, oft mit Bezug zu Österreich und insbesondere der Biospärenregion Lungau, insbesondere die Nahrungsmittel. Rainers Schwester Heidrun, gelernte Polsterin für schöne Möbelstücke, ist mit von der Partie und bereitet sich drauf vor, ihre eigene Werkstatt auch als Teil dieses unkonventionellen Kaufhauses einzurichten. Natürlich gibt es auch Frühstück, Café-Spezialitäten, Bier, Wein und dergleichen, insofern ist es ein Ort zum Stöbern und gemütlichem Rumsitzen, Schwätzen und Mampfen. Wir konnten, kaum angekommen, auch gleich mitspielen bei den Eröffnungsarbeiten, Putzen, Schrubben, Besteck Polieren, eine Speisekarte musste noch entworfen werden, ein Flyer wurde benötigt, und so begann für uns das Wwoofing. Abends stellten wir den Bus in Zankwarn bei Mariapfarr auf ihr Grundstück und haben seitdem Familienanschluss, Dusche, Toilette und Waschmaschine und fühlen uns wie Zuhause.
Auf dem Weg mit Rocco zwischen Mauterndorf und Mariapfarr
Abends kochen wir gerne für Sie, tagsüber habe ich mal den Rasen gemacht. Am Samstag werden sie verhindert sein, also machen Sarah, Rocco und ich das Café für sie, 8–18 Uhr. So passt es für alle, und sie suchen bereits nach Gründen, wie sie das hier mit uns verlängern. Und uns gefällt es auch soviel mehr als sich dauernd irgendwo teuer einzumieten. Rainer und Anna sind selbst erst im Januar von einer langen Van-Reise heimgekommen, die sie mit ihrer einjährigen Tochter weit herumkommen hat lassen. Wir genießen die ruhige Art der beiden und beginnen, uns im Wwoofing-Lebensmodell ganz wohl zu fühlen.
Anna und Savannah
Mauterndorf, wie mir Richard, Rainers Vater erzählte, war schon vor den Römern an einer Nordachse für den Handel gelegen, sowie seit den Römern quasi eine Kreuzung wesentlicher Handesrouten. Insofern ist das schon lange eine Zollstation, wo der Name (Maut) auch herkommt. Zudem fließt die Taurach mit großer Geschwindigkeit hier durch, sodass schon vor langer Zeit bis zu 8 Wasserkraftwerke nacheinander an ihrer Böschung gestanden und eine Menge Manufakturen angezogen hatten. Bis hin zur Verhüttung von Eisen. Mauterndorf, wo Rainers Eltern die alte Mühle erworben haben, in der nun auch das Café ist, ist insofern schon seit Jahrhunderten eine wohlhabende Gemeinde — und eben jetzt um ein unkonventionelles Kaufhaus reicher.
Wir können uns gut vorstellen, dieses Modell (Wwoofing) auch weiterhin zu fahren; allerdings hat das einen Haken, wenn die Gastgeber nicht so nett sind wie unsere hier: Dann muss man täglich 4 Stunden für sie arbeiten — bei uns geht das eher so, wie es gerade kommt, und wir verbringen auch gerne Zeit miteinander. Mal sehen, klar ist jedoch, dass diese Privatachse mehr Spaß macht als die normale. Dennoch müssen wir aber auch an unsere Arbeit denken, es wird also weiter spannend bleiben.
Heute haben wir Anna, die selbst Mode-Designerin ist (und hier auf dem Hof alle zwei Wochen einen “Kleidertausch” anbietet, wo man Kleider bringen, mitnehmen, eintauschen oder kombinieren darf), überreden können, uns bei den Polstern im Van zu helfen; Sarah ist ja nicht glücklich mit deren Farbe. Demnach sind die beiden gerade am Schneidern. Rocco bewacht mit mir den Hof und fühlt sich wichtig. Heute früh ist das schwarze Pony ausgebüchst, dem eine Weide geliehen worden ist, damit man die nicht auch noch mähen muss. Da war Rocco dann wieder etwas ruhig, Pferde, wenngleich Ponies, sind nicht seins.
Er und ich haben hier schöne Wanderungen, weil wir gerne mal Sarah das Auto lassen und selbst über die Dörfer ziehen. Arbeiten funktioniert auch gut, es ist sogar noch ein königliches Projekt dazugekommen; bei den Online-Meetings sitze ich dann wie z.B. heute Nachmittag im Flur beim Ofen, da ist der Empfang für Internet am besten — so arrangiert man sich eben mit allem. Hier noch ein paar Bilder von der Eröffnung, die habe ich für Rainers Seite gemacht: stegmuehle.at.
Wir werden auf jeden Fall noch bis Sarahs Geburtstag hierbleiben, dann schauen wir, dass wir irgendwo Alicia einladen und nach England fahren, oder vielleicht kommt auch Sarahs Mutter mit — Rocco wird davor noch ein paar britischerseits verlangte Impfungen machen müssen, aber es wird schon gehen. In England haben wir eventuell auch solch eine schöne Gelegenheit, ca 2 Wochen mit Familienanschluss zu stehen und uns arbeitsam einzubringen. Im September wollen wir wieder nach Süden, Frieren im Bus ist nichts. So, jetzt muss ich los, wir sind auf eine Party eingeladen. Machts alle gut und passt auf Euch auf. Niklas
Die beiden an der Soca
Die Drohne hab ich jetzt ganz gut im Griff, das sind 1200 Meter