Das Meer und Sidemen

Hier, vor Amet, im Osten Balis, liegt der Wallace-Graben

Unser Gecko hält Wache an der Türe

Nun waren wir endlich mal am Meer, sind wir doch bereits über 2 Monate hier. Nachdem wir uns morgens noch von einem unserer Haustiere verabschiedet haben, die Geckos sind uns sehr lieb geworden, fressen sie doch die verd***** Moskitos (was den Erfolg betrifft, ist da allerdings noch Luft nach oben), wurden wir von Shri, einer der wenigen balinesischen Fahrerinnen, die es gibt, abgeholt und sind Richtung Osten gedüst.

Es ist sehr unüblich, dass eine Frau hier diesen Beruf ausübt. Wir hatten sie über Facebook gefunden, wo sie genau damit “Bali Female Driver” (balinesische Fahrerin) auftritt — also dachten wir, wir versuchen das einfach mal. Und sie war so klasse: witzig, eloquent, in einem erstklassigen Englisch zuhause, super aufmerksam und informiert und nach wenigen Minuten schon total vertraut mit uns, hatten wir eine mehr als kompetente Begleiterin, die in katastrophalen Stausituationen genauso wie beim Mittagessen oder beim rückwärts Rausfahren aus einer engen hohlen Gasse am Berg, die zugeparkt war, nie ihre gute Stimmung verlor und für unseren Ausflug eine echte Bereicherung war.

Während der morgendlichen Fahrt nach Amet, auf der Ostseite der Insel gegenüber Lombok, kamen wir in der Nähe des Vulkans vorüber, kurz vor dem höchsten balinesischen Tempel (den wir uns für ein anderes Mal aufgehoben hatten). Die Menschen sind nach ca 2 Wochen Evakuierung nun wieder zuhause, sie warten dass die Lava abkühlt, weil sie sie sammeln und für den Hausbau zermahlen. Die Katastrophenwarnung ist nun von 4 auch auf 3 zurückgesetzt worden, und gesehen haben wir am Agung auch nichts. Dreiviertel davon waren eh wolkenverhangen.

Das Meer

Ich bin sicher, auf diesem Wandbil, an dem ich neulich vorbeigelaufen bin, steht das irgendwie alles

Pünktlich zum Mittagessen erreichten wir Amet und das Meer, nachdem Shri uns eigentlich den ganzen Weg entlang mit mehr oder weniger Intensität alles Mögliche über alles Mögliche erzählt hat — nicht dass sie geschwätzig gewesen wäre, aber erstens haben wir viel gefragt, sobald wir festgestellt hatten, wie gut wir im Fragen und wie gut sie im Antworten ist, und zweitens hat es soviel Spaß gemacht, über Gott und die Welt mit ihr zu sprechen. Da ging es über den Tag natürlich um die Frauenfrage und ihre Erlebnisse in einem Männerberuf, aber es ging auch um das System der Vielheiten von Gottheiten im Hinduismus als Manifestationen einer Gottheit in einem bestimmte Aspekt (so erklärte sie, dass die, von denen ich bislang glaubte, dass sie die drei Zentralgötter, Brahma, Vishnu und Shiva seien, selbst nur Manifestationen von Brahma, dem Gott mit den vier Gesichtern seien — wobei dann aber doch eben Shiva selbst zurecht der Schöpfergott genannt werde und es dabei genauso richtig sei, zu erwähnen, dass sein Job in der Hauptsache des Zerstören sei … eventuell kann man sich so ein Gespräch weiter gut vorstellen, wie der Ritt auf den Kaskaden eines unendlichen Wasserlaufs. Wir sprachen auch viel über Moslems und Hindus und erfuhren z.B., dass die Inder den Hinduismus im 7. Jahrhundert hierhergebracht hatten. Aber nicht nur das, sie haben ihn über verschiedene Länder, in denen sich die Religion natürlich immer ein wenig angepasst hatte an Land und Kultur, nach Bali gebracht und mit ihm dann auch ein modifiziertes System von Kasten (hier gibt es nur drei). Mit den Kasten war aber auch ein Steuersystem gekommen, das stets von unten nach oben ging. Die unterste Kaste zahlt an die mittlere, die dann an die obere, die oberste an den König. Der König wiederum verleiht Gnaden an seine Vasallen aus der hohen Kaste, dadurch entstand Besitz auf der Insel, der — weil feudal — immer auch Verpflichtung war, und wir lernten, dass es bis heute als sehr unsittlich angesehen wird, Land zu verkaufen, weil eine Familie vor vielen Generationen es schließlich nicht gekauft hatte, oder geschenkt bekommen hatte, sondern es ihr mit einer Aufgabe anvertraut worden war.

Shri erzählte und auch, warum der Islam im 8. Jahrhundert, aus Arabien kommend, hier erstmal sehr erfolgreich war: Es gab keine Kasten im Islam, also mussten Moslems auch keine Steuern bezahlen. Das war uns nicht klar, wie so vieles andere auch, was wir alles von Shri erfuhren, z.B. dass sie ihr Studium über den Verkauf einer Kuh bestritten hatte und dass Kühe überhaupt nur heilig sind, solange sie weiß seien und einem Hindu gehören — wenn der Hindu die Kuh an einen Moslem verkauft, dann verliert sie ihre Heiligkeit ganz schnell und ihr Leben noch ein wenig schneller. Und wir hörten von fliegenden Schlangen in den nördlichen Urwäldern. Da wir also so viel Spaß mit ihr hatten, entließen wir sie den ganzen Tag nicht aus unserer Gegenwart, sie musste mit uns essen, am Strand liegen (oder sitzen) und hat es bis spät am Abend nur mit uns zu tun gehabt.

Das türkisfarbene Meer bei Padangbai

Amet liegt auf der Seite des Agung, wohin er normalerweise ausbricht, insofern gibt es nur schwarzen Sand und man sieht nicht viel. Beim Mittagessen hat zudem das Gespräch über die supergiftigen Wasserschlangen sowie die Quallen nicht wirklich geholfen oder motiviert, hier baden zu gehen. Normalerweise geht man hier tauchen, es liegt ein berühmtes Wrack, die Liberty, in ca. 25 Meter Tiefe.

Sarah hat sich dennoch nicht erschrecken lassen und ist reingegangen. Wir anderen haben auf unser nächstes Ziel gewartet, Padangbai, klassischer tropischer Badeort mit zu erkletternden Stränden und Fährhafen nach Lembongan und Lombok. Hier haben wir uns für die «Secret Beach» entschieden und — absurderweise — den Weg zu diesem «geheimen» Ort dann auch über Google Maps gefunden.

Westlich des Hafens geht es den Berg hoch, zwischen engen Mauern durch, und Treppen und Waldwege hinunter. Wunderschöner Sand und grünlich-türkisfarbenes Wasser laden ein, hineinzugehen, Wellen bis ca 1.5 Meter, ein Traum. Im Hintergrund des Strandes gibt es kleine Warungs oder auch nur Kokosnussverkäufer. Man kann, wenn man will, eine Liege mieten, einen Schirm… es war nicht voll, sondern angenehm besucht, und jeder hatte viel persönlichen Raum. Wir hatten großen Spaß im Wasser und keine Kontakte mit Schlangen.

Anständige Wellen, hinten links: Lombok, dazwischen geht es Tausende Meter in die Tiefe (Graben)

Immer den Berg hoch

Auf dem Weg nach Sidemen

Nach Padangbai hatten wir uns vorgenommen, Sidemen anzuschauen. Das ist ein Ort, der genau zwischen dem Vulkan und Ubud liegt. Im Landesinneren, aber mit einem Gutwetterblick auf das Meer, habe ich zumindest auf einer Postkarte gesehen. Es liegt höher, ist tatsächlich noch nicht in den Reisekatalogen angekommen und verspricht NOCH, ein Reiseziel zu sein, wie Ubud es vor 20 Jahren war, also still, beschaulich, verzaubert. Wir sind also auf der gut ausgebauten Landstraße an unzähligen Fischständen (die Fischer und ihre Frauen stellen ihren Fang direkt neben der Straße auf Fässern und Kisten aus) vorbeigefahren und vor Klungklung den Berg hoch. Es wurde immer grüner, ja es wurde total grün und immer ruhiger… und immer schöner. Shri war wieder am Erzählen, also wollte ich sie nicht stören, es sind mir aber, wie ich finde, ein paar hübsche Bilder, aus dem Fenster gelehnt, gelungen.

Sidemen liegt am Ende eines tiefen Tals, welches sich gegen Süden und zum Meer hin den Weiten des sogenannten «Gartenlandes» öffnet. An der Nord- und Ostseite geht es in Richtung des «Vulkanlandes» sowie auf höher gelegene Terrassen und Weiden. Im Westen sehen wir ausgedehnte Wälder. Balinesen und Touristen mischen sich hier noch nicht so recht. Alles scheint noch zu frisch. Insofern fahren wir entlang der Stichstraße ins Tal erst einmal durch den Ort, wo die Einheimischen wohnen und kommen am Ende und beim Fluss zu der Region, wo erste schmucke Ressorts aber auch kleine Gästehäuser aufgemacht haben. Wir sehen vor allem Touristen, die wandern oder eben zu Fuß unterwegs sind; Tourismus hier ist leise, remote, es gibt kein großes Angebot, aber im Internet habe ich bereits sicher 10-15 Gästehäuser gesehen, in denen man für unter 200 € für 8 Nächte unterkommen kann, mit Pool, Klimaanlage, schlechtem Internet (was ja auch entschleunigend wirkt) und den Vorteilen einer noch nicht durchentwickelten Region. Wir waren begeistert! Hier ein paar Impressionen von unserem leider kurzen Aufenthalt hier. Sarah und ich haben allerdings beschlossen, bei unser 3-Wochen-Tour dann wenigstens 3 oder 4 Tage hier halt zu machen und die Ruhe zu genießen. Am Ende des Tals wird es zum Waldrand hin sehr einheimisch, aber immer noch idyllisch und sehr heilig.

Sidemen, links der Fluss

Am Ende des Tals

Die gute Shri hat uns dann nach Hause fahren müssen. Von Sidemen aus sind es zwar nur 35 km, es hat aber Stunden gedauert (und sie musste dann noch 1.5 Stunden nach Denpasar, heim zur Familie); es war also schon eine Rosstour, aber voll so vieler Eindrücke. Für meine Sammlung bemerkenswerter Bäume habe ich hier zum Abschluss noch ein Trio, bestehend aus einem Tempelbaum, dann einem sicher sehr heiligen Baum leider am Rande einer Landstraßenmüllkippe (die ich aber gut ausgehalten habe, weil wir auf der Fahrt eine Durianfrucht gekauft hatten und nichts so stinkt wie diese) und einem wunderbaren Banyanbaum in Penestanan, in einem Ressort über dem Fluss, wo Kundalini-Yoga gemacht wird. Viele Grüße an alle, macht es gut und passt auf Euch auf, Niklas