Reisfelder und Königsgräber
Heute haben wir uns das erste Mal weiter aufs Land rausgewagt; in Ubud kennen wir uns ja schon ziemlich gut aus, also war es Zeit. Dass die balinesischen Reisfelder immer eine Reise wert sind, wird jeder wissen — Bali ist schließlich berühmt dafür. Da sie dann auch auf unserem Weg lagen, nahmen wir sie gerne und zugleich notgedrungen mit, denn leider ist ein Touristenmagnet eben genau auch das, magnetisch.
Nach dem Frühstück verließen wir Ubud, beim Palast abbiegend, damit wir sowenig wie möglich auf den betriebsameren Straßen und länger auf den heimlichen fahren konnten. Nördlich vom Palast beginnt bereits eine sehr ruhige Gegend, wo die hochwertigere Hotellerie und ein gewisses Highend-Airbnb Einzug gefunden haben. Vorbei an tollen Ferienhäusern und prächtigen Bambusbauten mit Kuppeln, weiten Tempelanlagen, kamen wir dann auf die Straße nach Tegelalang.
Wir haben unterwegs nicht extra angehalten, um die vielen Kunsthandwerksläden zu fotografieren, gelohnt hätte es sich schon. Sarah und ich werden allein dafür sicher bald nochmal in diese Richtung fahren. Weil ich also entlang des Weges nicht fotografiert habe, gibt es am Ende ein 3-Minuten-Video von der ganzen Heimfahrt zurück nach Ubud. Sarah hat sich bemüht, ruhig zu fahren, ich habe versucht, ruhig zu filmen (und dabei nicht vom Sozius zu fallen).
Tegelalang
In Tegelalang ist linker Hand ein Hügel, dann die Durchgangsstraße mit Scooter-Stellplätzen, dann ein Gehweg mit lauernden Kleinunternehmern aller Altersklassen, und rechts davon, eins neben dem anderen, Café-Restaurants mit Aussichtsterrassen. Zwischen ihnen ist gerade mal soviel Platz gelassen worden, dass es für eine kleine Treppe reicht sowie für einen visuellen Appetithappen, sprich: kleine Miniaturaussichten auf die ansonsten verborgenen Reisterrassen, ganz schön clever gemacht.
Wir parken also so geschwind wie möglich, damit uns kein Parkplatzwegelagerer entdeckt und nehmen den Gehweg. Schon steht ein kleines Mädchen vor uns, Postkarten in der Hand, und will eine Spende. Kein Postkartenverkauf, wie sie betont, sondern eine Unterstützung fürs Schulgeld, eine Postkarte bekämen wir dann quasi als Belohnung — aber darauf fallen wir nicht rein. Der Spießroutenlauf geht weiter, wir bleiben aber fest und spickeln zwischen jedem Haus, ob wir dort einen Weg ins Tal (und zu den Reisterrassen) finden, ohne für die Benutzung der Treppenstufen auch noch bezahlen zu müssen. Alsbald haben wir ihn dann gefunden. Die Treppenstufen sind ca doppelt so hoch wie bei uns zuhause, und es geht recht steil bergab; aber es hilft ja nix: ich muss schließlich unseren Ausflug dokumentieren, also runter mit mir. Vor dem Abstieg kommt noch ein — irgendwie gefälschter — Reisbauer mit einem traditionellen Schultergestell auf uns zu, der gegen Unkostenbeitrag als Fotomodell zur Verfügung stehen möchte. Ok, auch ein Beruf. Ich mache ein Bild, wir kramen 5000 Rupien raus (30 Cent). Er will aber das doppelte, nur das bekommt er nicht — findet er nicht so toll. Kann man nichts machen. Sarah reicht es dieses Mal mit dem Kraxeln, denn es ist auch ziemlich heiß, und sie beschließt, oben zu bleiben, die Aussicht mit einem tiefen Blick zu verinnerlichen und auf einer hübschen Terrasse Platz zu nehmen. Hier sind ein paar Bilder von den Reisterrassen (allerdings gibt es auf Bali auch tollere!):
Zurück am Scooter werden wir natürlich schon erwartet; und natürlich ist das wieder ein ganz Cleverer: gefragt, was er wünsche, meint er: 20.000 Rupien pro Scooter. Als wir signalisieren, dass 10.000 sicher reichen, meint er, „ok!“ — so geht’s hier zu!
Es geht weiter in nördlicher Richtung, weit ist es nicht, insgesamt haben wir einen Hinweg von ca 15 Kilometern, aber es empfiehlt sich, hier langsam zu fahren. Die Natur verändert sich, es wird waldiger und etwas kühler, vielleicht so 2-3 Grad. Fährt man nördlich aus Ubud raus, kommt man eben immer höher, da ist ja schließlich irgendwo auch der große Agung, der über 3000 Meter hohe Vulkan und Sitz der Götter.
Wir kommen in einen tiefen Wald und nehmen eine kleine Straße die steil bergab führt und kommen in einer großen Kurve an einen idyllisch gelegenen Tempel mit dem Namen Gunung Kawi, nicht weit der traditionellen Sommerresidenz des amtierenden Präsidenten. Auf das Ziel Gunung Kawi kam ich nach der Lektüre der kämpferischen Balinesisch-Javanischen Geschichte, ein nicht enden wollendes gegenseitiges Überfallen, Vereinen, Streiten und wieder Kämpfen. Ich will nicht sagen, dass es gut war, dass die Holländer sich Indonesien irgendwann geschnappt haben (denn sie haben alles auf Opium umgestellt und ein Heidengeld damit verdient, bis die Japaner ihnen das alles dann 1942 weggenommen haben und nach dem Zweiten Weltkrieg und vielen Debatten Indonesien gegründet wurde); aber das Theater zwischen Java und Bali über mehr als Tausend Jahre scheint mir auch ein ziemliches barbarisches Durcheinander gewesen zu sein. Kaum zu glauben, wenn man die Balinesen heute erlebt. Wie dem auch sei; in der Literatur fand ich einen Ausnahmeherrscher erwähnt, names Rakai Halu Sri Lokeswara Dharmawangsa Airlangga Anantawikramottunggadewa, gerufen Airlangga, der 990 nach Christus geboren war und offenbar eine bemerkenswerte Regentschaft hingelegt hatte, die — so gut sie auch war — dann doch nicht in eine gesunde Nachfolge führen sollte. Offenbar gab es da niemanden geeigneten, da sein Thronfolger lieber Buddhist werden wollte und eine weibliche Nachfolge ins Haus stand, ganz schlecht. Also schmiss er hin, teilte sein Reich und zog nach Bali, baute einen Tempel und wurde Eremit im Bereich sehr heiliger Quellen, eben die Heiligtümer von Gunung Kawi; so habe ich das zumindest verstanden, die Geschichte ist komplex.
Der Tempel hat vor dem geschlossenen Bereich eine Wasseranlage mit herrlichen Kois, einen Gemeinschaftsbau, dessen Interieur, wie man am Volleyballnetz sieht, heute der Gemeinde zur Verfügung steht und öffentlich zugängliche Bäder, sowie Abzapfstellen für das täglich gebrauchte Heilige Wasser. Um den Tempelbereich zu betreten, muss man, siehe Schild, passend gekleidet sein, also haben wir Sarongs am Eingang mitgenommen, die den Zweck erfüllen, für Frauen und Männer gilt das gleiche Gesetz.
Der Tempel liegt sehr malerisch angelehnt an einen stark bewaldeten Hang. Obwohl er eher aus vielen kleineren Ensembles besteht, wirkt er dennoch sehr majestätisch auf mich. Es gibt Leute, die behaupten, „hast du auf Bali einen Tempel gesehen, dann hast du sie alle gesehen!“ — ich glaube das nicht. Ich habe viele gesehen, und jeder hat bislang etwas ganz eigenes gehabt. Dieser hier ist wunderschön geschmückt mit kleineren Statuetten, die vollständig bemalt sind, und es gibt, sicher für irgendeine rituelle Anwendung, eine Menge kleinere Schreine. In einem derselben finden wir eine Uma-Statue mit Spendenstock — so kann ich endlich der mir aus der Verwandtschaft zugegangenen Bitte, der Liebesgöttin zu opfern, nachkommen.
Am Ausgang suche ich noch die Toilette auf — eine unangenehme Erfahrung. Kaum draußen wird mir wieder aufgelauert. Ich habe aber nur großes Geld, was den Kerl nicht weiter stört, aber rausgeben kann er auch nicht. Also tue ich so, wie wenn ich mir erst Geld besorgen muss und bin auf und davon, schmeiße den Sarong auf den Haufen für Getragenes und ab geht die Post.
Pura Gunung Kawi in Tempaksiring
Das nächtse Ziel ist die Pura Gunung Kawi, die, wie wir am Ziel angekommen feststellen, an einem Bachlauf weit unten im Tal liegt. Wieder geht es einige Treppen hinunter, und unten erwartet uns ein ganz großartiges Arrangement von kaskadierenden Wasserläufen. Gleich oben am Abstieg ist eine Wasserstelle mit ganz karen Anweisungen. Da Sonntag ist, finden wir ein paar ernste Balinesen, die sich dort versorgen. Die Atmosphäre ist wunderschön. Zudem ist das Geländevon Baumriesen umgeben. Mir fällt auf, dass es sich hier wirklich um reines Quellwasser handelt, es kommt aus den Wänden, geht nicht durch einen Tempel, sondern alles ist ganz Natur. Das heißt, die ganze Quelle muss heilig sein. Der Tempel liegt oberhalb einer steilen Steintreppe und ist verschlossen, alles andere ist fast nur für den Wasserlauf gebaut. Leider dürfen wir nicht ganz runter ins Tal, denn dort, im ersten Bassin, nehmen Frauen und Männer ihre rituellen Bäder ein. Sie gestikulieren, dass wir Abstand halten sollen, denn sie wollen einerseits ungestört sein, andererseits nicht beim Baden fotografiert werden, was man ja verstehen kann. So können wir also nicht den Bach entlang wandern und die Pura Gunung Kawi, die 10 Königsgräber aus dem 11. Jahrhundert, sehen. Pech gehabt, dafür war heute, dank Sonntag, der Verkehr ruhiger als an Wochentagen. Ich habe aber auf Wikipedia eine brauchbare Abbildung der Gräber gefunden.
Au dem Rückweg machen wir mittags an einem Restaurant Halt. Eine Warung kann man das nicht mehr nennen. Es ist eher so eine Art balinesischer Freizeitpark um ein Gasthaus herum. Marketingidee Nummer 1: Selfies. So haben sie mehrere Selfie-Positionen zusammengezimmert, zu denen man über Wegweiser kommt, damit man, wenn man sie korrekt einnimmt, die besten Bilder für seinen Instagram-Account machen kann. Das Restaurant liegt oberhalb eines schönen Tals mit weitem Blick auf die Vulkane (heute allerdings nicht) und in den Dschungel. Unter einer großen Aussichtsterrasse gibt es auch eine riesige Schaukel, offenbar das neueste hier, für das wir eine Menge Werbeplakate gesehen haben. Die Leinen sind ca 20 Meter lang, das Schaukelerlebnis muss also etwas ganz Besonderes sein. Einen Pool gibt es auch, die Leute im Restaurant sind sehr interessiert an uns und freundlich, das Essen ist günstig und leider auch nicht wirklich klasse, sieht man schon an den Bildern, fürchte ich. Aber sie werben damit ja auch nicht: Auf der Rechnung steht’s geschrieben (“Wir sind zwar nicht top, aber gut!”). Und eigentlich geht es ja auch eher um die Schaukel, den Pool, und die Plastikaffen, den Plastikhubschrauber und die Plastikrehe. Chinesische Kinder freut das, erklärt uns der Manager.
Wie gleich im Video zu sehen ist, was den ganzen Rückweg von 30 Minuten auf 3 Minuten reduziert, fahren wir schnurstracks nach Hause. Vorbei an vielen kleinen Häuschen, großen Tempeln, Kaufläden, Werkstätten, vorbei an Plantagen und Wäldern. Ich hoffe, es gibt einen guten Eindruck, wenngleich es sicher zu lang ist — aber wie bereits erwähnt: Ich übe ja noch. Das überdimensionale Tierchen im Video ist übrigens ein Fleckenmusang, der sich von Kaffeebohnen ernährt, die halbverdaut aus seinen Exkrementen gelesen und zum sogenannten “Katzenkaffee” verarbeitet werden, der hier Luwak heißt.
Angekommen zu Hause freut es mich, auf meiner Facebookseite zu lesen, dass die Bintang-Supermärkte letzte Woche beschlossen haben, frische Sachen (wieder) in Bananblätter statt Plastikfolie einzupacken, ein toller Schritt in die richtige Richtung. Die zweite Meldung ist, dass in Tel Aviv eine Chemikerin eine Formel gefunden hat, einen Stoff herzustellen, der alle Qualitäten von Plastik hat, sich aber rückstandslos in Wasser auflösen lässt — das ist auch super. Ich weiß zwar nicht, wie die Dame damit das Wasserflaschenproblem lösen will, aber da ist sie sicher dran. Und dritten lese ich, dass Schweden 1903 ein Gesetz erlassen hat, wonach für jeden gefällten Baum drei neue gepflanzt werden müssen. So ist Schweden heute mit der größte Papierproduzent der Welt, aber dennoch wachsen jedes Jahr die schwedischen Wälder. Sie bedecken heute schon 70 Prozent des Landes, und Schweden ist klimatisch gesehen die Nummer 1. Das Gesetz will ich auch haben in Deutschland!
Jetzt wird gekocht, parallel bieten wir uns selbst den Moskitos an, wie jeden Abend. Machts gut, passt auf Euch auf, danke für die Geduld mit dem langen Bericht, liebe Grüße, Niklas