Monokulturen und Mondlandschaften

Vorgestern bin ich früh los in Santo Domingo de la Calzada, nachdem ich Sarah am Weg und etwas verloren angesichts des Umstands, dass eine Autobahn zu überqueren war, an der Landstraße einsammelte. Die Hühner haben wir diesmal nicht gesehen, die Kirche war geschlossen. Der ganze Ort beträchtlich «runtergefahren». Der Campingplatz war zwar teuer, aber nix Dolles. Beim Loslaufen, eben nicht auf dem Camino, denn der geht woanders in den Ort rein, hatte ich das selbe Problem wie Sarah, nämlich eine Autobahn, die eigentlich nicht zu überqueren war. Insofern sind Rocco und ich über die Felder marschiert und östlich um den Ort herumgelaufen, um dann bei einem ausgetrockneten Flussbett wieder auf den Weg zu kommen.

Die anmutige Schönheit von Navarra und Rioja verlor sich dann sehr bald. Sobald ich Castilla y Leon betreten habe, wurden die Räume größer, die Felder unendlich, die Landschaft weit entfernt von lieblich. Hier haben die Bauern wirklich gewonnen und schlichtweg alles vereinnahmt, was an Boden da war. Bäume kann man hier noch zählen. Selbst die kegeligen Bergspitzen sind bis oben kultiviert. Ich meine ja nicht, dass ich ihnen das nicht gönne, oder dass sie es leicht haben; aber dennoch halte ich das für einen skrupellosen Umgang mit der Natur.

So ging es den ganzen Tag. Felder, Felder, Felder…

Leider — aber das weiß man ja von dem kastilischen Weg — ging es dann auch mehr und mehr entlang der Landstraße, auf der sich die spanischen LKWs wilde Jagden leisten. Ein heißer Tag, an dem ich mir zum ersten Mal Sorgen um Rocco machte, tut er sich doch so schwer mit dem Trinken. Insofern habe ich ihn in jedem Ort, den wir betraten, mal ein wenig am Brunnen erfrischt, irgendwie ist er zu dusselig, um aus meiner Hand zu trinken. Nur fließendes Gewässer, wenn er dabei auch drinnen stehen kann, ist ihm gut genug für ein paar Schlucke.

So ging es weiter

So ging es weiter

Ich will es nicht schlechter machen als es ist, aber Kastilien ist schon ein bissel langweilig. Zum ersten Mal hatte ich auch Mühe beim Laufen. 5 Stunden in praller Sonne zehrt. Unser normales Lauftempo ist für die ersten Stunden 9 Minuten pro Kilometer, danach braucht es auch mal 10 oder sogar 11 Minuten. Grob gehen 30 km in 5 einhalb Stunden. So auch vorgestern, als wir Sarah und den Van auf einem netten Parkplatz an einem Park an einem Fluss in Belorado trafen, waren wir doch ganz schön fertig. Rocco wollte zwar direkt toben, als er Sarah sah, aber auch nur ein paar Minuten, dann ab ins Auto zum Fressen und Poofen.

Gestern hatte Sarah dann wieder eine Bergetappe von Belorado bis San Juan de Ortega, einem Kloster in den Oca-Bergen, ca auf 900 Metern, inmitten eines sehr trockenen Waldes und eingebettet in schlechtes Wetter. Rocco und ich arbeiteten morgens auf unserem hübschen, wilden Stellplatz, völlig unbehelligt von Leuten, an den Büchern, später fuhren wir alles, was wir gelaufen waren, wieder zurück, weil die Zigaretten ausgegangen waren und wir keinen Estanco finden konnten. Da es leerer wird, muss das eben manchmal sein. Vorräte sind wichtig (gut, dass wir jetzt im Ribeira del Duero sind! Wein ist nämlich auch knapp geworden). Wir kamen dann gegen 14 Uhr am Kloster an und stellten das Auto direkt davor, man wird ja mutiger. Das Wetter wurde langsam besser, trockener und sonnig, und wir wurden von Sarah gefunden, die wieder einiges zu erzählen hatte. Es ist schon eine kleine Tradition geworden, dass man, wenn einer «landet» erstmal irgendwo ein Bierchen trinken geht, vielleicht mit etwas Tortilla. Also taten wir das und besuchten auch noch das Kloster, wo der Heilige in Marmor eingelegt, seit langer Zeit im Zentrum der Kirche ruht. Abends verließen wir dann den kleinen Ort, hier leben nur 18 Menschen im Durchschnitt, plus aktuell sehr viel mehr Pilger, denke ich, aber wir wollten da nicht so auf dem Präsentierteller stehen. Am Einstieg in den Jakobsweg 300 Meter vor dem Ortseingang fanden wir dann am Waldrand ein nettes flaches Stück Wiese, wo wir gut hineinpassten und den Abend genossen haben.

Neben dem Militärgebiet

Heute früh war ich dann wieder dran. Von San Juan de Ortega nach Burgos, und was war das für eine ätzende Etappe… Allerdings auch gut, zum ersten Mal bin ich mit einem anderen Menschen gelaufen, zumindest für eine Stunde. Ein junger österreichischer Mechatroniker, der gerade sein Studium abgeschlossen hatte und seit Le Puy auf dem Weg ist, hatte dasselbe Tempo wie ich und wir haben uns gut unterhalten. Irgendwann, als er Bekannte getroffen hatte, haben wir uns dann allerdings wieder gelöst und sind schnell weitergelaufen. Kurios bei ihm: Er schläft im Schlafsack draußen, so oft es geht. Also zugegebenermaßen hatte er das 7 oder 8 mal gemacht seit Le Puy en Velay, und eben gestern Abend auch, ganz bei uns in der Nähe. Kaum zu glauben, was die Leute machen. Ansonsten geht er ins Matratzenlager oder zu den Stockbetten — immer noch zweifle ich daran, dass mich diese Erfahrung interessiert… Er meinte nur, dass wenn er es eine Zeitlang nicht gemacht hat, dass er schon sehr unruhig schläft und die spanischen Wälder schon sehr belebt sind… nix für mich!

Kurz nachdem ich die kleine Gruppe verlassen habe, ging irgendwas schief, bzw. hätte ich vorher etwas mehr auf dem Schirm haben müssen, dass Burgos eine Großstadt ist, die eben auch einen Flughafen hat, Industriegebiete, Vororte etc. Und genau damit habe ich mich heute dann ein paar Stunden rumgeschlagen. Hier nur ein paar Bilder, wie es auch auf dem Jakobsweg zugeht. Klar, wenn eine Großstadt anfängt, dann ist es nicht mehr lieblich und nett, sondern urban, insbesondere im immer noch Krisen geschüttelten Spanien, mit so vielen bankrotten Geschäften und Unternehmen. Überall sind Gelände zum Verkauf angeboten, Grundstücke, parcelas. Hier ist es schon anders als zuhause, wo doch immer mehr Stellenangebote an den Wänden von Unternehmen hängen. Ich hoffe, Spanien kommt da auch bald ganz raus. Ich bin allerdings viele Kilometer durch Schwer- und Großindustriegebiete gelaufen, um den Campingplatz zu finden, an dem wir Sarah und das Auto finden.

Das war schon ein wenig ätzend heute. Auf dem Hochplateau liefen wir für 2 Stunden an einer Militäranlage vorbei, wo heute wohl Maschinengewehrschießen auf dem Stundenplan der jungen Rekruten stand, super. Rocco war begeistert. Und dann Villafria, Autobahnen, Flughafenumrundung und Industriegebiete. Aber immerhin, wir haben dann den Camino verlassen und sind strikt südlich gelaufen, über den Fluss und haben da einen alternativen Camino gefunden, auf dem wir dann auch den Campingplatz und Sarah gefunden haben. Da sind wir jetzt. Es regnet. Wir werden gleich was essen gehen. Wäsche ist gewaschen, auch die Bettwäsche, dem Sohn ist zum Geburtstag gratuliert (es geht ihm gut). Morgen wird es weiter gehen, indem Sarah durch Burgos läuft, hoffentlich die Kathedrale sehen kann und wir uns erneut an einem anderen Ort, 500 km von Santiago entfernt wieder treffen.

Das Trees Projekt stagniert etwas, bitte helft, es Leuten vorzustellen, wir brauchen mehr Unterstützung. Immerhin sind 40.000 € eingeworben. Aber das reicht leider nicht. Gestern erreichte mich allerdings eine eMail vom Verlag teNeues, der optimal geeignet wäre für das Projekt, und der es unbedingt haben will. Mal sehen, einen B-Plan habe ich eh, nun habe ich auch einen C-Plan. Bin gespannt.

Ihr machts mal gut, ich gebe Euch ein Bild meiner Füße mit nach einer Etappe (geht eigentlich), passt auf Euch auf und habt eine gute Zeit, liebe Grüße, Niklas

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Niklas WeißKommentieren