Navarra

Wir sind am Laufen. Seit meiner ersten Etappe neulich ging es genauso weiter. Zubiri, wohin ich von Roncesvalles gelaufen war, entpuppte sich als zwar hübsches altes Dorf, aber offenbarte auch ein Problem, mit dem wir so nicht gerechnet hatten. Wo stellen wir den Van hin?! Ich traf Sarah auf einem abgerockten Schuttplatz, wo unser Wagen zwischen kaputten LKWs stand, das hatten wir am Morgen über Google.Maps gefunden und so ausgemacht. In der Realität (und nicht im Luftbild) war das aber total ausgeschlossen, dort eine erholsame Nachtruhe zu bekommen. Also fuhren wir 10 km weiter auf einen Campingplatz oberhalb von Pamplona, wo es zugig und kalt war, und einsam. Aber immerhin: warme Duschen, saubere Toiletten… wir hatten also etwa eine halbe Etappe (Zubiri-Pamplona) einsparen müssen, nur um einen Stellplatz zu finden. Es kommt eben hinzu, dass derjenige, der nicht läuft, ja auch irgendwo sein muss; der, der läuft, hat ja zu tun und braucht keinen Platz, um zu arbeiten, aufzuräumen, den Wagenservice zu machen.

Tags darauf marschierte Sarah dann von dort los, 10 km der gesparten Etappe musste sie noch laufen, um nach Pamplona zu kommen. Dort kam sie wieder auf den richtigen Jakobsweg und lief in strömendem Regen fast sieben Stunden bis Puente la Reina. Ich war bis Mittags auf dem Campingplatz geblieben, um zu arbeiten, habe denn den Wagen klargemacht (Wasser, Abwasser und so) und bin mit dem Hund gelaufen. Dann fuhr ich nach Puente la Reina auf der Suche nach einem schönen Stellplatz, den ich vor der berühmten Kirche Santa Maria de Eunate fand. Dort war noch Betrieb, und ich konnte die Aufsehern fragen, ob es ok sei, wenn wir einfach vor der Kirche übernachteten. «Na klar, logisch, ist doch kein Problem», selten war das so einfach, sie war eben keine Slowenin. Die Spanier scheinen viel mehr laissez-faire anzuwenden.

Eunate

Abends konnte ich Sarah, die sehr erschöpft war, in Puente la Reina abholen, wir kehrten kurz auf Bier und Tortilla in einer Pilgerbar ein und fuhren dann zurück auf den Aragonesischen Pilgerweg, da Eunate nicht auf der Strecke von Pamplona liegt, sondern zu dem Weg gehört, der in Jaca beginnt. Am nächsten Tag schnappte ich mir den kleinen Rocco und lief über Puente la Reina ca 30 km bis nach Estella, wo Sarah auf einem Campingplatz über der Stadt auf mich wartete. Hier ein paar Bilder von dem Weg, auf dem ich sicher 8mal den Poncho an- und wieder ausziehen musste; Regen, Sonne, Wind, Regen.

In Estella war es auch frisch, von der Stadt habe ich nichts gesehen, da wir außerhalb übernachtet haben. Das Laufen ist super. Gerade auch diese langen Strecken. Rocco macht toll mit — ich habe das Gefühl, dass ihm das schnelle Gehen mit ihm an der Leine ohne viel Schnüffeln über Stunden gut tut und auch irgendwie seiner Erziehung dient. In Cazouls konnte man fast gar nicht mehr mit ihm laufen, ständig war er am Schnüffeln und 100mal am Pinkeln und man kam kaum vom Fleck. Hier gibt es diesen Spielraum nicht, natürlich macht er seine Geschäfte, aber er ist ganz konzentriert voll mit dabei und hält mich nicht auf. Was auch gut ist, ist, dass er danach so hübsch müde ist, dass er lange schläft und auch wirklich tief schläft. Das Vanreisen ist ja laut und holprig, da kommt er auf den langen Fahrten kaum zur Ruhe. Wir schauen ihn aber immer gründlich an, damit es nicht zuviel für ihn wird. Helena, die ihn ja 4 Monate lang hatte, meinte, dass er auf jeden Fall mindestens soviel laufen kann, wie ein Mensch. Ich glaube das auch.

Gestern hat Sarah dann ihre 30 km gemacht, von Estella bis Torres del Rio, so hatte sie 1.5 Etappen gemacht und kam abends rechtschaffen müde dort an. Total in der Pampa, ein kleines Dorf, sehr hübsch, mit einer Grabeskapelle, die eher langweilig ist (Sarah hat sie heute besucht), auf die man aber doch sehr stolz ist. Zuerst habe ich den Van ganz dreist mitten auf den Dorfplatz gestellt, da der Herbergswirt mir das mal eben so vorgeschlagen hatte (er hatte sicher gedacht, ich hätte ein normales Auto, mein Spanisch ist sehr rostig). Er stand da aber so schäpps, dass der Kühlschrank wieder nicht funktionierte, also fuhren wir nach einem Nachmittagsbier in der Herberge wieder runter vom Hügel und stellten uns genauso frech auf einen Kiesplatz am Ortseingang, wo uns dann auch niemand störte. Sarah hatte kurz nach Estella übrigens das Vergnügen, am Weinbrunnen vorbeizulaufen — ich bin auf dem Weg nach Torres del Rio aber auch dort vorbeigefahren. Eine Bodega hat ihn bei sich eingebaut. Alle Pilger sind eingeladen, sich an einem Zapfhahn ein Glas Navarra-Roten zu zapfen und sich kurz zu erfrischen.

Fuente del Vino

Heute war der schönste Tag seit langem und wir wussten das vorher. Gestern Abend waren wir noch in einer Herberge essen, hier das Foto. Und der markige Stein, der besagt, dass wir nur noch 636 km zu laufen haben. Beim Abendessen hat mir Sarah von Gesprächen berichtet, die sie mit Pilgern hatte — ich kenne das so nicht sondern laufe eigentlich immer schnell und allein, habe eher kein Bedürfnis für Pilger-Gespräche aber wer weiß, vielleicht sollte ich das auch mal anfangen. Sie war heute das erste Mal mit dem Rocco unterwegs. Sie erzählte mir von den Herbergen und dieser Art des Jakobsweg, als ein mehr soziales Erlebnis, wo man abends dann zusammen kocht und trinkt, was auch immer, eben viele Menschen kennenlernt und sich ihre Geschichten erzählen lässt. Sie will diese Erfahrung auch machen, was wir gerade eben klargemacht haben.

Heut früh war ich sehr zeitig auf den Beinen, wollte ich doch einen wunderschönen Sonnenaufgang erleben, auf dem Camino. Hier ein kleine Galerie mit Bildern. Ich bin zu faul, die große Kamera mitzunehmen, so sind ab jetzt die Bilder alle nur iPhone-Bilder, alle ein bisschen grell, fürchte ich.

Es war traumhaft schön, so früh auf dem Weg. Da Sarah eine halbe Etappe weiter gelaufen ist, habe ich auch kaum Pilger getroffen. Rocco und ich hatten aber eine kurze Etappe und haben Navarra nach 4 Stunden und 22 km verlassen, sind in La Rioja und in ihrer Hauptstadt Logroño angekommen, wo Sarah wieder einmal auf einem hübschen Campingplatz am Ebro auf uns wartete. Den Nachmittag über saß ich durchgehend in der Sonne, habe Mails gemacht und 2 Stunden mit Kuwait und Italien eine Telefonkonferenz gehalten, die Arbeit geht ja weiter. Hier noch Bilder vom Weg.

Überall am Weg gibt es Steinskulpturen, teilweise richtige Installationen, wie hier.

Der berühmte Ebro bei Logroño

Immer noch nicht gut in Selfies

Da sind wir also. Sarah hat heute die Stadt erkundet und einen schönen Rioja mitgebracht, der gerade in Arbeit ist. Ich muss morgen einen spanischen Gasflaschenanschluss auftreiben und werde überhaupt bis Sonntag hierbleiben. da Wochenende ist, hat Sarah beschlossen, zwei Etappen am Stück zu gehen und morgen Abend in einer Pilgerherberge zu übernachten, den Groove zu kriegen, wo die Musik spielt. Ich habe zwei Projekte neu zu gestalten für Qatar, insofern passt mir das gut in den Plan. Rocco kann auch zwei Faulenzertage brauchen. Ich werde Sarah dann Sonntag Abend in Santo Domingo de la Calzada treffen, wo das berühmte Hühnerwunder spielt. Hier das Wunder (WIKI): “Zur Hochzeit der Wallfahrt nach Santiago de Compostela soll eine Pilgerfamilie aus Xanten nach Santo Domingo de la Calzada gekommen sein. Sie übernachteten in einem Wirtshaus. Die Wirtstochter fand den Sohn der Familie sehr attraktiv, der – fromm und keusch – ihr Angebot aber zurückwies. Die Zuneigung der Wirtstochter wandelte sich in bösen Zorn, sie sann auf Rache und versteckte einen Silberbecher in seinem Gepäck. Der Wirt bemerkte am Folgetag den Verlust und schickte die Stadtbüttel aus, die auch schnell fanden, was sie suchten. Der junge Mann wurde nach kurzem Prozess aufgehängt und die Eltern zogen traurigen Herzens weiter nach Santiago. Auf dem Rückweg kamen sie wieder an der Richtstatt vorbei, wo sie ihr Sohn ansprach, dass er gar nicht tot sei, weil ihn (Version 1) Santiago bzw. (Version 2) Santo Domingo gehalten habe. Die Eltern liefen daraufhin zum Richter, der vor einem Teller gebratener Hühner saß, und berichteten das Vorgefallene. Der Richter antwortete, dass ihr Sohn so tot sei wie die beiden Hühner vor ihm, worauf diese sich erhoben und davonflatterten. Nun wurde der Sohn ab- und die Wirtstochter aufgehängt, die Familie zog weiter nach Hause.”

Soweit, so gut. Ihr seid nun auf dem laufenden. Falls noch nicht ausreichend erwähnt, das Trees Projekt ist immer noch auf Kickstarter, also bitte weitererzählen, vor allem gegenüber Leuten, die gerne ein ganz großartiges Buch erwerben wollen, was es nur noch 33 Tage lang geben wird. Ihr machts mal gut, passt auf Euch auf, herzliche Grüße vom Camino de Santiago, Niklas

Niklas WeißKommentieren