Crosscountry

Der schöne Halt zwischen Vogesen und Burgund, am Forellensee

Ende Juli sind wir aufgebrochen von Mariapffarr nach Frankreich. Der Weg führte über den Chiemsee und einen mediokren Halt auf einem Parkplatz am Neckar an die Ill im französischen Riet südlich Strasbourg. Dort haben wir Mary, Katharina und Alicia getroffen und mit ihnen einen schönen Tag im Riet verbracht, sodann am vergangenen Freitag sind wir aufgebrochen mit dem Ziel Vereinigtes Königreich. Wir wussten, es wird anders sein; nicht nur, dass wir wieder in einem neuen Modus unterwegs wären, wir wären zudem Eine mehr auf unserem überschaubaren Lebensraum.

Das Van-Life steht und fällt nicht mit dem Unterwegssein, sondern mit dem Stehen. Man kann auch in einem normalen Auto ein tolles Road-Movie genießen, fantastische Strecken abfahren und unglaubliche Dinge sehen sowie erleben. Beim Van, also dem Reisen zusammen mit der Wohnung, kommt der Tatbestand des Wohnens hinzu. Nicht nur, dass man sie mitnimmt, es erschöpft sich nicht im Mitnehmen, denn man will sie ja auch nutzen und mithin genießen, die speziellen Besonderheiten des mobilen Lebens auf seine spezielle Art und Weise genießen.

Nach einigen Stunden Fahrt über kleine Landstraßen irgendwo in der Gegend von Remiremont fuhren wir durch ein dunkles Waldstück und sahen im Vorbeifahren, dass dort ein Forellen-Fischteich sei, mit einem kleinen Restaurant, einödig, aber velockend. So kehrten wir, fuhren langsam hinein und stellten den Wagen ab. Es war später Nachmittag, und wir waren nicht abgeneigt, wenngleich wenig Weg erledigt war, aber dennoch einiges gefahren worden ist… Ich ging hinein in das Areal des Fischteichs und fragte, ob es denn ok sein, wenn wir dort nächtigten mit unserem Gefährt, wir würden auch abends ins Restaurant kommen. Oh nein, hieß es, eine etwas herbe Dame in Begleitung einer ältlichen etwas freundlicheren Dame, die beim Apero saßen, sagte dies; stehen könnten wir aber auf jeden Fall, doch sie täte den Teufel, das Restaurant am Abend zu öffnen, nur wegen uns. Einöde halt… Der etwas herbe Charme war aber eben doch einer. Sie sagte weiter, wenn wir eben da stehen wollten, dann sei das eben so (herrlich, dass in Frankreich eben nicht das Gesetz, sondern eine gewissen Grundrenitenz gesellschaftlicher Tenor geblieben ist). Gut gelaunt fragte ich dann nach ein, zwei Forellen und vielleicht ein, zwei Flaschen gut gekühlten Rosé-Weins. Naja, sagte sie, das sei wohl auch nicht schwierig, und als ich eine Stunde später, nach dem häuslichen Einrichten unter einer schönen Weide zu ihr zurückkam, schwang sie sich aus dem Plastikstihl, schlurfte zum Pond, holte zwei Regenbogenforellen aus ihrem Alltag, tötete sie ohne Aufhebens und reichte sie mir für einen Spottpreis zusammen mit dem Rosé, der in der Tat sehr gut war (nahe dem Burgund). Die Forellen dünsteten wir mangels besserer Möglichkeiten mit Rosmarin und genossen sie im Abendlicht zusammen mit Kartoffeln und Rosé. Niemand sollte uns an diesem Abend vertreiben, wir waren sicher in einem verlassenen Weiler zwischen dem Vogesen un dem Burgund. Der abendliche Spaziergang durch die örtlichen Wälder offenbarte eine gespenstische Mischung zwischen Märchenwald und Kriegsschauplatz — wie ich später von den Frauen erfuhr, litten die heimischen Wälder an einer Krankheit, die den Boden austrocknete und die Bäume tötete. Insofern führte der Weg durch den Wald durch eine Mischung von Feenort und Kahlschlag. Hier ein paar Bilder:

Wir entdecken noch, wie die Ökonomie des Fahrens im Van beschaffen ist; grundsätzlich vermeiden wir Autobahnen, irgendwie passt das nicht zu einem Slow-Stil. Wir wollen absichtlich reisen, nicht nur Strecken überbrücken. Von A nach B ist keine Frage der Effizienz oder Geschwindigkeit, sondern soll sich im Erlebnis erweisen. Sagt das Navi (Google Maps) also, dass wir wohl 3 Stunden unterwegs sein werden, so werden es eher 5. Dessen eingedenk haben wir unsere Pläne und Zielhorizonte reduziert. Wir fahren los und wir wissen nicht, wo wir landen, aber wir fahren ab…

Am nächsten Tag, nach der Reduktion unserer Zielvorgaben, fuhren wir weiter durchs Nordburgund und in die Champagne. Als mögliches Ziel machten wir den Fôret d’Orient aus und tatsächlich landeten wir dann später auch in Mesnil, mitten drinnen am Lac d’Orient, einem heiligen Ort mitten in France. Dort hat sich 1118 der Templeroden gegründet, als Hugo de Payens einige seiner Kumpels (8) dazu überredete, das Heilige Land zurückzuerobern und den Tempelschatz zu finden, sowie die Bundeslade etc. Große Geschichte, eine meiner ersten richtig langen Universitätsarbeiten, … alte Geschichten, aber immerhin spannend, mal am Ort des historischen Geschehens zu sein. Der Campingplatz war voll, gerne hätten wir geduscht und einen richtigen Toilettengang erledigt, aber dennoch, das Baden war klasse und wieder zeigte sich Frankreich von seiner entspannten Seite: Campingplatz voll, Stellplatz voll… also standen alle übrigen Campervans einfach in der Picknickzone direkt am Meer, ebenso wie wir, die Polizei fuhr Streife, aber tun konnte sie nichts. Es war schön. Morgens ganz früh nahm ich den Hund, und wir gingen lange entlang des Naturreservats, es war atemberaubend. Hier eine kleine Bildserie entlang unseres Spaziergangs:

Da standen wir alle

Traumhafter Uferbereich

Das war also wirklich sehr schön. Von den Templern haben wir nicht viel gesehen. Aber das ist auch egal, sie sind schließlich am Vater aller Freitage, den 13., iim Jahre 1392 auf Geheiß Phillips des Schönen, überall in Europa gefangen genommen und vor Gericht gestellt worden, die meisten mit tödlichem Ausgang. Der Schatz soll allerdings immer noch in den Tunnels unter der Fôret lagern, um niemals gefunden zu werden.

Samstag fuhren wir dann weiter gen Norden, wieder auf Landstraßen, die Folge war, dass wir erneut nicht sehr weit kamen. Amiens, noch nichtmal ganz bis dahin. Die Somme wars. Inmitten einer Vielzahl von Britischen, Deutschen und Französischen Friedhöfen fühlten wir uns wie in einem Weltkriegsmuseum. Der schöne Campingplatz mit Badezugang an einem Etang der Somme war natürlich ausgebucht — so ging es rückwärts Richtung Peronne zu einem neuen Stellplatz mit Duschen, WCs und ganz im Grünen, der, eventuell wegen der Saison, nicht einmal besetzt war; wir standen dort, duschten, kochten, spülten, aber da niemand da war, bezahlten wir auch nicht, ebenso wie eine Menge anderer Leute, Holländer, Spanier, Briten, die ebenfalls mangels ANsprechpartnern ihren Pflichten nicht nachkommen konnten.

Heute früh entschieden wir, aus dem Schicksalsrad des langsamen Vorankommens auszubrechen und fuhren auf die Autobahn. Zuvor allerdings war ich um 7 Uhr morgens mit Rocco losgelaufen, um in einem weiten Bogen nach Peronne zu laufen, es fehlte ja noch eine Bandwurmimpfung fürs Königreich, die nicht jünger als 24 Stunden, und nicht älter als 5 Tage sein durfte. Also steuerte ich nördlich auf einen Berg und fand das in Google als 8 Uhr morgens öffnende Praxis eine Veterniärs angezeigte Unternehmen verlassen vor, mit eingedrückten Fensterscheiben. Nasch Neuorientierung entdeckte ich einen andere Praxis am anderen Ende der Stadt, die ich um 8:45 erreichte. Um 9 machten sie auf, und um 10 Uhr hatte Rocco sein Attest, seine Bandwurmpille und alle guten Wünsche einer sehr netten Tierärztin, die angesichts seines Gewichts, 10,0 kg, meinte, neine, er sei nicht mager, sondern bemerkenswert schlank. Ich hingegen hatte das Gefühl, dass wir unseren kleinen Freund eventuell doch ein wenig mehr verwöhnen müssten. Vor zwei Jahren stand er noch auf 12 kg und war immer noch bemerkenswert.

Wir hatten also umsonst übernachtet, konnten auch garnichts dagegen tun, und kamen auf der Autobahn gut voran. Sarah und ich hörten ein Hörspiel über Nordirland und Transatlantische Kontakte, ein Epos, das sie mir mal geschenkt hatte… Hart, sich auszumalen, dass eventuell dieser schlimme Konflikt nun wieder Nahrung bekommen könnte durch den harten Brexit ohne Backstop.

Wir kamen in Calais an und fanden (durch einen kleinen Trick, denn ich hatte am Abend zuvor wenigstens eine eMail geschrieben) einen Platz am Cap Blanc Nez (Das Cap der weißen Nase), leicht westlich von Calais, wor wir ans Meer gingen um dann von einem fürchterlichen Wetter überrascht zu werden, kein Kindergarten hier. Gerade noch beim Rumtollen am Strand, und 5 Minuten später nass bis auf die Unterhose… naja, hier ein Bild von der weißen Nase bei Ebbe… Morgen früh schnappe ich mir den Kläffer und wir laufen bis wir besseres Wetter oder bessere Motive finden, machts Ihr mal gut und passt auf Euch auf. Sarah bucht gerade die Fähre für Mittwoch früh, bis dahin hört Ihr vermutlich nix von uns, liebe Grüße, Niklas

Noch ein Nachtrag am Morgen danach:

das erste Licht über der Weißen Nase

Ballen am Strand

Niklas WeißKommentieren