Auf dem Land
«Nirgendwo ist der Himmel höher und die Luft reiner als bei uns in England auf dem Land», habe ich mal gelesen, ah ja, im Kleinen Lord, glaube ich. Wir sind nun in Suffolk auf einer Farm, die ihr Geld mit Glamping verdient, also glamourösem Camping in mongolischen Jurten, gemütlich und hochwertig. Mit Außenduschen, Kräutergarten, eigenen Feuerstellen unter eben einem sehr hohen Himmel. Die Himmel sind auch sehr schön, teilweise ist allerdings der Teufel los; das Wetter bleibt kaum mal 10 Minuten gleich, man weiß eigentlich nie, was man anziehen soll. Insofern gibt es zwischen Schwitzen und Frieren kaum Ruhe. Unter dem hohen Himmel sind hier, wo wir sind, um bei Nick und Kim ein wenig mit anzupacken, aber auch um eine alte Freundschaft Sarahs zu pflegen (sie haben uns auch einmal in Waldkirch besucht), eigentlich nur Felder bis zum Meer hin, das etwa 14 Meilen entfernt ist.
Die Bäume sind einiges gewöhnt, heute haben wir Sturm mit 50 Meilen Stärke, schwer einzuschätzen wie dramatisch das ist, allerdings bläst es wie verrückt. Gestern dagegen war es sehr heiß; Sarah und ich hatten angeboten, den Kräutergarten (das ist nur einer der vielen produktiven Abteilungen hier auf der Farm) von allem, was nicht unbedingt erhalten werden soll, zu befreien. Wir sprechen zwar nur von ca 6 x 10 Metern, aber das ist eben auch lange nicht mehr viel passiert. Mit Spitzhacke und kleinen Werkzeugen haben wir im Schweiße unseres Angesichts gewütet, bis nur noch geerdet war, was im neuen Kräutergarten gebraucht wird. Sodann haben wir Pfosten eingeschlagen, damit man ein Gefühl für das neue Layout des Gartens bekommt. Um dann in der Planung noch weiter voranzukommen, habe ich die Drohne ausgepackt und ein reines Luftbild gemacht. Das gesamte Anwesen ist wunderschön, besonders das Farmhaus. Aber hier in Suffolk sind eh die meisten der Häuser schön… wenn man da wohnt, so umgeben von seinen Feldern und vielleicht ein paar Gäulen hier und da, da kann man schon auf die Idee kommen, dass man Brüssel eigentlich gar nicht so dringend braucht. Ich weiß, dass das Unsinn ist, aber hier hatte ich heute auf unserem kleinen Ausflug nach Norwich ganz oft das Gefühl, dass viele reiche Grundbesitzer das Fürsichbleiben favorisieren, weil sie für sich eben einfach eine Menge haben.
Heute haben wir Alicias Sachen nach Norwich gebracht, wo sie am 17. August zusammen mit einer Freundin und anderen Studenten in eine Art privates Wohnheim zieht. Norwich ist ca 40 Minuten von hier entfernt (Richtung Norden) und eine alte Stadt; zumindest kam uns das so vor. Ein sehr integres Zentrum aus dem 18. Jahrhundert, ein vibrierender Markt vor der Townhall, viele schöne Bürgerhäuser, die Universität der Künste direkt am Fluss in den traditionsreichen Gebäuden der ehemaligen Technik-Akademie gelegen. Die Stimmung in dem überschaubaren Ort sehr gut, studentisch auch, viele kleine Cafés, Brauereien, Pubs… Wir kamen an einer Kathedrale vorbei, die seit gestern vorübergehend einen Flohmarkt aufgenommen hatte, in dem ganz unterschiedliche Dinge, von Upcycling-Produkten bis Schmuck, Delikatessen angeboten werden, auch ein Weg, eine Kirche zu füllen…
Unser nächstes Projekt hier wird sein, am Kräutergarten weiterzumachen. Wir haben das Drohnenbild dem Ganzen zugrundegelegt; Nick will die Anordnung der Beete und des Pavillons beizeiten machen, am kommenden Mittwoch kommen die Planken, die er für die Wege und die Barriere gegen die Hecken (die hier ungewöhnlich gefräßig sind), vorgesehen hat. gegen die Hecken pflanzen sie zudem Artischocken und noch irgendwas, was wohl die Kraft hat, die Brombeeren und so komische großblättrige, tief wurzelnde andere Unkräuter fernzuhalten. Sobald die Pflöcke und die Planken da und drin sind, wird sich alles Weitere fügen.
So, wie es aussieht, bleiben wir bis Freitag und fahren dann ab gen Norden. Bis dahin gibt es auch für die Firma noch viel Arbeit zu tun. Zudem müssen wir für Schottland oder Nordirland noch einen Ort finden, wo man uns haben will. Es kann auch sein, dass wir uns im Norden irgendwo einmieten; wenns windig und kalt wird, gefriert am schnellsten die Stimmung, wenn man dann noch mit der Arbeit in Verzug kommt, wird’s doch bald unangenehm. Immer noch sind wir am Adjusten, wie man hier sagt. Als Abschiedsgruß hier noch zwei Relikte, die jeder sicher kennt, die aber dann doch — trotz hohem Bekanntheitsgrad — auch im Vereinigten Königreich (das, wie ich in einer schottischen Zeitung gelesen habe, aktuell so unvereinigt wie nur irgend möglich ist) eher Alteisen werden. Macht es gut und passt auf Euch auf, liebe Grüße, Niklas