Berg und Tal

Wunderschöne Wildnis entlang der Soca

Nach dem doch mühsamen Auftakt haben wir es wacker weiter versucht. Es war sehr schön am Bohinj-See, aber am Ende doch zu kalt. Damit das im Bus funktioniert, bedarf es bestimmter Temperaturen, funktionierender Agregate, wunderbarer Stellplätze mit möglichst wenig Konkurrenz an traumhaften Destinationen — da sieht man schon, dass es einfacher ist, dass irgendeine Komponente klappert, als das es am Ende genau das Abbild lebensleichten und doch abenteuerlustigen Roadmovies wird, welches man aus den sozialen Medien kennt.

Weil es uns in Bohinj zu kalt war, und zudem an unserer nächsten Etappe (Österreich) eine ansteckende Kinderkrankheit ihr Unwesen getrieben hat, haben wir noch ein paar Tage Slowenien eingeschoben, aber bitte etwas wärmer. Und so sind wir an die kleine slowenische Mittelmeerküste gefahren, nach Portoroz.

Auf dem Weg dorthin hatten wir noch ein sehr schönes Erlebnis sowie ein leicht traumatisierendes. Schön war es, wieder nach Ljubeljana zu kommen, der Hauptstadt, in der wir stets gewohnt hatten, wenn wir zum Drucken nach Slowenien gefahren sind. Auf alten Wegen wandelnd sozusagen. Nach den drei Brücken hatten wir etwas privates zu tun und sind dort dann auch bei «Most» (Brücke) bei alten Bekannten eingekehrt, haben ein sehr frugales slowenisches Mittagessen bekommen und sind dann — ausgestattet mit neuem Entdeckermut — auf der Landstraße in die Postoijna aufgebrochen, am bewaldeten Übergang in die verträumte Karstlandschaft der Küstenregion. Die Postoijna liegt uns am Herzen, weil vor ein paar Jahren dort von jetzt auf gleich ein Blitzeis-Schock auf sie herniederging, der fast 60 Prozent der Bäume an den Kronen schockgefror, wobei die meisten Bäume direkt abbrachen, bei vielen passierte dies später. Mit tiefen Schneisen präsentierte sie sich uns, aber grundsätzlich immer noch sehr grün.

Sie ermutigte uns, doch wieder auf Abenteuerlust zu setzen, und so begannen wir mitten drinnen, nach Wegen Ausschau zu halten, auf denen wir vom rechten Weg (die ordentliche Landstraße Richtung irgendeinem Campingplatz) auf die clandestinen Pfade des Wildcampierens abbiegen konnten. Da ging es so: «Schau mal da…!» — «Nee, da kommen wir nicht hoch.» oder «Da hinten sieht man uns nicht.» — «Ist aber auch nicht so doll.» und so weiter, stets mit einem Auge auf die Straße, mit dem anderen neben die Straße. Wir haben im Campingführer gelesen, dass in Slowenien das Wildcampen grundsätzlich nicht erlaubt ist, aber was heißt das bitteschön? Nicht erlaubt?! Für uns klang das nach klassischer Grauzone, schließlich regeln Länder ja nicht, was erlaubt ist oder nicht, sondern was verboten ist. Und bei vielen Ländern hieß es im Campingführer auch: Verboten. Also dachten wir, sie lassen da absichtlich Spielräume, denn das Land ist wie gemacht fürs freie Stehen mit einem Campervan. Soviel Natur und Platz, soviele schöne Stellen. Ganz trauten wir dem Braten aber doch nicht, also suchten wir vorsorglich nach Verstecken.

So kamen wir irgendwann an der Landstraße bei einem Schild vorbei, auf dem stand, dass bei einer Wirtschaft Camper erlaubt seien. Also nix wie dahin, hungrig waren wir auch, und da der Kühlschrank streikte, gab es außer Pasta auch nichts anständiges zu futtern. Bei der vermeintlichen Gastwirtschaft am Ende eines kleinen Dorfes in wirklich schöner Lage angekommen, war da aber alles irgendwie verlassen, kein richtiges Schild, wir waren nicht einmal sicher, am rechten Ort zu sein. Also fuhren wir einfach weiter auf einem kleinen Bauernsträßchen, kaum breiter als unser Auto, immer weiter in den Hügel hinein, bis wir an einer kleinen Abbiegung ein Loch in einer Hecke fanden, durch das wir mit dem Auto auf eine hübsche Weide in goldenem Abendlicht fahren konnten. Wir haben nach allen Seiten geschaut, dass man sowenig wie mögliich von uns sieht, aber ganz verstecken konnten wir uns nicht, dazu hätten wir wieder sehr schräg stehen müssen, also sah man das Ende des Autos von der Straße. Wir hatten einen gemütlichen Abend, hatten viel Spaß mit dem Hund, nur hatten wir bei jedem vorbeifahrenden Slowenen ein mulmiges Gefühl, Grauzone hin oder her. Und so kam es auch, irgendwann gegen 22 Uhr brauste ein PKW auf «unsere Weide» und mit voller Wucht ereilte uns der Zorn der zur Furie gewordenen Bauerntochter, die durch uns ihre Wiese malträtiert und ihren Kühen wertvoller Rohstoff entzogen sah. Ihr Vater, sicher zum Schutz mitgekommen, konnte kein Englisch, alles schien ihm dann auch leicht peinlich — aber dennoch, wir wurden zur Kasse gebeten, 50 €; aber nicht genug, wir mussten dann trotzdem weiterfahren, da war nichts zu machen. Sie drohte mit der Polizei und meinte, dann kämen nochmal 250 € auf uns zu. Klar, wir waren auf ihrem Land (glaube ich mal), aber irgendwie harmlos. Ich meinte dann noch, dass wir für die 50 € doch bis morgen stehen könnten, Campingplätze kosten auch nicht viel mehr, aber irgendwie bewirkte das nur noch mehr Wut auf ihrer Seite. Also ließen wir uns verjagen und blieben den Rest der Nacht neben einem kaputten Tennisplatz am Rande der Landstraße stehen, wo wir eines der berüchtigten slowenischen Gewitter miterlebten (wieder mal).

Schön versteckt (und eben trotzdem gut sichtbar, weil weiß und groß)

Es krachte und blitze wie kaum jemals zuvor erlebt. Zwischen den Blitzen raschelte die Luft und ein Geräusch wie ein Reißen oder wie sich entzündendes Pulver war zu hören, ein echtes Höllen-Spektakel. Als am nächsten Morgen dann noch die Polizei neben uns anhielt, dachte ich, fein, wieder Zahltag, aber sie wollten nichts von uns, sie legten sich lediglich auf die Lauer wegen überladener LKWs, also vielleicht doch eine Grauzone und die Bauerntochter eine abgebrühte Schauspielerin? Jetzt ärgere ich mich, vielleicht hätte ich sie einfach ignorieren und ihrem Vater dafür ein kaltes Bier anbieten sollen, doch halt: kaltes Bier = Fehlanzeige, Mist.

Wir fuhren weiter nach Portoroz, dass kurz vor Kroatien südlich von Triest liegt. Von dort kommt das schöne Pflücksalz, das es seit ein paar Jahren sogar im Frischemarkt in Waldkirch zu kaufen gibt. Die Salzlandschaft war auch schön. Allein der Campingplatz war ganz schön spießig, mit Autowaschen und so. Eigentlich ein Parkplatz eher, durchzogen mit Wochenend-Dauergästen, die ihre Wohnwägen fest mit allem möglichen eingepackt haben, dazu eine postsozialistische Strandbetonierung, wie man das aus Istrien kennt — und dann: teuer. 60 € haben wir für eine Nacht bezahlt, fürs Campen. Eine Ferienwohnung hätte vermutlich weniger gekostet. Das ist langsam wirklich eine sich durchgehende Erfahrung: Campen ist mindestens so teuer wie Ferienzimmer.

Das Wasser war warm, 26 Grad, aber keine Spur vom schönen Türkis, das kommt eben erst ca 2 Stunden weiter südlich ab Krk und vor allem Richtung Dalmatien. Wir haben uns das verkniffen, die Karawanen auf den Straßen zeigten eindeutig, dass wir mitten in der Hochsaison sind, da macht es keinen Sinn, weiter runter zu fahren. Wir haben uns überlegt, im September für ein paar Wochen in Kroatien zu sein, aber nicht jetzt. Also Portoroz war’s auch nicht für uns. Wenngleich hinter dem Campinplatz ein schöner Weg in die Salinen führte, den wir vor der Abreise dann doch noch gegangen sind.

Unsere Etappe für gestern hieß dann: Stellplätze suchen mit einer neuen APP, die nicht so teuer sind, vielleicht nicht so prominent, aber wir müssen ja auch auf die Kosten achten. Die ersten 10 Tage haben uns schon ein wenig ins Minus gezogen. Wir hatten vom freundlichen Wirt des «Most» den Tipp bekommen, unbedingt Sezana anzuschauen, was mitten im Karst liegt. Man kennt vielleicht die hübschen weißen Pferdchen aus der Wiener Hofburg, die kommen von dort aus dem Gestüt Lipica. In Sezana konnten wir den super gepflegten Botanischen Garten anschauen (siehe die drei Bilder) und haben dann noch einen Stop gemacht bei Vinokras, wo der für Slowenien bekannte Teran herkommt. Rotwein und insbesondere roter Sekt, den Sarah sehr gerne mag. Also wir dort rein und gleich eingeladen zur Weinprobe. Zusammen mit einem Südafrikaner und seiner englischen Frau, die seit 18 Monaten auf Reisen sind (im Van) und überaus zufrieden mit allem (was wir noch lernen müssen), hatten wir eine nette Unterhaltung vor der slowenischen Verkostungsleiterin, die angesichts solcher Tunichtgute (wie wir ihr offenbar vorkamen) ins Staunen geriet. Von Sezana wollten wir weiter nach Salicze, wo wir eben den günstigen Platz an dem Weinberg gefunden haben, wo es Essen geben sollte, Camper welcome. Nur leider gab es dort kein Essen, es war sehr heiß und der Platz war eben dann auch wieder nur ein Parkplatz für zwar nur 20 €, aber immerhin, nein, wir fuhren weiter, zurück an die Soca in die Berge, Richtung Tolmin, also Luftlinie ca 15 km weit weg vom Bohinj, aber eben mit einem massiven Gebirge dazwischen.

Die ganze Strecke über den Karst war es wieder so frisch sommerlich, dass man überall Gras riechen konnte. Alles wirkte so richtig italienisch, wie man sich eine bebilderte Ausgabe von Goethes Italienischer Reise vorstellen könnte, pastorale Landschaften. Selbst die Dörfer und die Häuser darin wirkten italienisch eher als slowenisch, es fehlte das leicht biedere, das nach dem Karst die Architektur leider ausmacht. Eine doch entrückte Landschaft, die wir sehr genossen und die uns über die wunderbaren Hügel von Nova Goriza wieder in die Südalpen hineinführte an den traumhaft blauen Fluss, wo wir einen schönen Campingplatz außerhalb Tolmin fanden, bezahlbar und ruhig, unser Auto steht ca 5 Meter weg von der Soca und endlich mal gerade (seitdem funktioniert auch der Kühlschrank wieder)! Leider ging dann gestern wieder ein massives Gewitter runter, die Markise hat drunter gelitten, aber ist nicht kaputt. Wie gesagt, wir lernen das noch! Bei Temperaturen um die 17 Grad wird es dann aber doch wieder mühsamer, wenngleich es sich jetzt, einen Tag später, doch wieder wunderbar erholt hat.

Sarah und ich hatten einen sehr schönen Spaziergang am Nachmittag, 4 km am Fluss entlang nach Tolmin für kleine Einkäufe. Heute früh habe ich die Drohne in Betrieb genommen (endlich) und gemerkt, dass mir das extrem viel Spaß machen wird. Ist leider auch wieder so eine Sache, die fast überall verboten ist, aber dann sucht man sich eben die Einöde. Davon gibt es auch genug. Vielleicht scheint das Van-Leben uns renitenter zu machen… wenn das der Fall ist, dann ist der Erfolg noch nicht so ganz klar zu sehen, aber wie bereits geschildert suchen wir die Balance in dem neuen Leben, sind immer noch optimistisch — verglichen mit einem Pendel ist die Bewegung darin noch groß, aber es wird wohl. Unsere Pläne verändern sich mäandrierend mit all diesen Erfahrungen, die wir machen und der Art, wie wir sie verarbeiten. Hier und heute sieht es so aus, dass wir den Hochsommer und die Hauptsaison (neben anderem) als Klassenfeind abgestempelt haben und in den nächsten beiden Monaten versuchen, uns in Europa und an Orten, die uns interessieren, mit guter Miene zum Spiel rumzutreiben und weiter zu versuchen, Leben und Arbeiten an wechselnden Orten zu erlernen. Kommt September, geht es runter ins leere Kroatien (Dalmatien), Ende September sind wir eingeladen, auf dem toskanischen Olivenölgut von unserem Freund Antonio aus Vicenza solange zu sein, wie wir wollen, dann Provence, wo sicher auch nicht mehr viel los ist. Sodann geht es für den Rest des Winters nach Spanien und Portugal, wo wir die Hoffnung haben, dass mein guter Bruder alles richtet und wir grandiose Orte an der Atlantikküste serviert bekommen, an denen der Himmel stets blau ist, die Menschen immer freundlich sind, der Wein fließt bei Tanz und Gesang. Das ist ein Ziel, naja, das eben von heute, so leben wir von Tag zu Tag. Und ich überlege wirklich, ob ich nicht noch ins eiskalte Soca-Wasser springe, die Sonne brennt wieder. Ein Glas Rosé genießend sitzen Sarah und ich auf einem kleinen Baumstamm am Ufer. Der Hund ist noch ein wenig traumatisiert von ein paar zuvielen Gewittern im Bus. Mal sehen, was der Abend noch bringt. Ihr machts mal gut und passt auf Euch auf, alles Gute, viele Grüße, Niklas