Tropenfeeling
Es hat einen Moment gedauert, aber nach der Hälfte des zweiten Tages sind wir doch in der Südsee angekommen; anders kann man das Inselgefühl nicht beschreiben … die leicht lähmende Schwere in sich aufzunehmen, das kristallklare Wasser vor sich, den kochend heißen Sand unter den Sohlen, Schatten suchend und in demselben verweilend. Lesen - schlafen - lesen, … sich kurz aufraffen, ein Glas Wasser, eine kurze Mahlzeit in einer mit Treibholz ausgestalteten Piratenbar zu sich zu nehmen, schnell zurück in den Schatten. Zur Ruhe kommen, merken, wie man träge wird, dumpf, eindimensional. Es wurde dann mehr und mehr großartig, Je weniger wir planten, uns vornahmen, dachten… wir sprachen schon noch, aber eher dann mit dem Abend und einer Brise, auf dem Weg in ein Restaurant oder auch nur auf einem Bohnensack im Sand sitzend, unter einem unendlichen Sternenhimmel, die Brandung im Ohr.
Wir hatten unseren Roller am Sonntag morgen nochmal rausgeholt, weil wir noch im Vornehmmodus waren, hatten gedacht, dass ein frühes Bad an der Dreambeach und einem leeren Strand uns gut tun würde. Und der Strand war leer, sogar total leer, denn es toblen die Wellen bei maximaler Flut. Unmöglich, sich dem auszusetzen. So staunten wir im Sand über die Wellenbrecher und nicht weniger über die Kolonnen von Chinesen, die sich am Cliff oben aufreihten, um einer nach dem andren ein und das selbe Selfie mit sich und der Magie des Meeres zu machen.
Man sieht sie rechts oben auf den Felsen. Busweise kommen sie an, gelangen nicht einmal in die Nähe des Meeres, dokumentieren aber ihre Erfahrungen. Sehr eigenartig.
Als wir gingen, stellte ich zwei markante, nebeneinanderliegende Bisswunden fest auf meiner Hand, und war durchaus besorgt, weil es sich sofort mit großem Hof entzündete und anschwoll. Es hat mich schon irritiert, waren wir doch in den Wellen gewesen, und man weiß ja nie, was da so unterwegs ist.
Es hat nicht weh getan, insofern kein Problem, aber beunruhigend wars schon. Insbesondere, weil ich die zwei folgenden Nächte schlecht schlief und Kopf- sowie Gliederschmerzen bekam. Also fragte ich einen Balinesen, der bei unserer Unterkunft arbeitete: „Vielleicht ein Spinnenbiss“, sagte er, „oder vielleicht was anderes“, sagte er dann… toll. Also sah ich dann diese Stelle gedeihen, machte mir weiter Sorgen, und sah sie dann wieder vergehn. Heute hat Sarah beim Frühstück festgestellt, dass ich während der Tage auf Lembongan nur balinesischen Kaffee getrunken hatte und der ist super schwach. Bislang auf Bali, in Ubud, war mein Kaffeegenuss eher gestiegen, guten Kintamanikaffee trinkend, kannenweise, und sie meinte, es würde sie nicht wundern, wenn ich wiedermal Kaffee-Entzugserscheinungen hätte, wie ich das zuvor schon hatte, wenn wir während der Fastenzeit auch den Kaffee gestrichen hatten. Und genau, das war es, kein Dengue-Fieber, keine Malaria, kein Schlangenbiss, sondern schlicht zuwenig Koffein!
Ein hübsches Detail unserer Mopedausfahrt war noch die Entdeckung von Feldgräbern zwischen der Pilzebucht und der Teufelsträne. Wie wir neulich von Shri gelernt hatten, wird hier nicht überall jeder Tote verbrannt. Es hängt von der Gemeinde ab, wo man lebt. So ist es in den Bergen im Vulkanland so, dass es genügt, wenn ein Symbol verbrannt wird, z.B. also eine Handvoll Erde des Landes, wo man gelebt hatte. So war das in ihrem Dorf, die Körper werden dann bestattet. Bislang hatten wir außer chinesischen Friedhöfen noch keine gesehen, insofern war es spannend, hier überland auf balinesische zu stoßen. Eingebettet ins Waldland, am Rande einer Wiese, unprätentiös und unbewacht, nicht einmal eine Mauer darum, fanden wir die Steine mit den festgebundenen Regenschirmen, die den Verstorbenen Schatten spenden.
Sarah erzählt mir ja sehr viel von ihren Buddhismusstudien. So haben wir uns überlegt, dass wir eine Instagram-Seite aufmachen zum Thema „impermanence“, denn die Vergänglichkeit ist ein großes Thema. Auf unseren Ausflügen auf Bali und auch auf Lembomgan stoßen wir eigentlich dauernd auf Zeichen von Vergänglichkeit, sei es ein völlig verrotetes Moped (das wahrscheinlich irgendwie noch fährt) oder ein Müllhaufen von Kokosschalen direkt in der Einfahrt zu einem Luxusressort oder eben eine Schubkarre voller der von uns so geschätzten Frangipani-Blüten, soviel Schönheit, die der Baum im Moment ihrer Präsentationsreife lieblos auf den Boden fallen lösst, um innerhalb Stunden zu vergehen (sie werden braun). Kann aber auch sein, dass der Baum sie fallen lässt, um uns zu zeigen, dass er jede Minute neue Blüten produzieren kann, oder eben im Sinne eines tropischen Vanitasbildes einfach tut, was er tun will.
Zurückgekehrt kamen wir dann alsbald in den Inselmodus, Sarah ging zu Serenity Yoga, ich zu einer schwitzigen Massage, gemeinsam trafen wir uns zur spätnachmittäglichen Ebbe und einem ersten Bier an unserem Strand, dazwischen ein paar Emails, ein wenig Friedell und endeten in der Shipwreckbar am Strand, gemütlich, lausiges Essen, aber billig und sehr gechillt.
Gestern machten wir genauso weiter, den Vormittag die Flut abwartend und den Schatten suchend, Lektüre und dämmriges Weggleiten und sich treiben Lassen, einen kurzen Regen von 10 Minuten gänzlich ignorierend, sodann mit dem Tidenhub die schönen Zonen des Strandes anpeilen und das türkise kristallklare und frische Wsser genießen. Immer einen Blick hierhin und dorthin, ob nicht Mantarochen oben schwimmendes Plankton suchen und vom Wege abkommen, oder anderes Getier sich zu sehr nähert. Wir hatten Spaß und glitten wieder ganz hinein ins tropische Nirwana. Zumindest bis Entedeckergeist und anerzogenes Pflichtgefühl wenigstens für ein klein wenig Anstrengung gesorgt und uns beauftragt haben, die nähere Umgebung zu sichten. Was wir bislang schuldig geblieben sind, ist ja die Situation der Dörfler. Das eine ist ja, wie wir leben und wie wir untergebracht sind und wo wir gut oder halb gut essen gehen; das andere ist, dass wir schon zu sehen haben, wo und wie die anderen wohnen, die für uns fischen, oder uns bekochen, uns bewirten oder auf die Ankunft der Boote warten. Kurzum, wir haben die nächste Umgebung unserer kleinen allseitig offenen Anlge untersucht und gesehen, wie rudimentär die Lebensbedingungen der Leute hier sind. Kaum 10 Meter links von unserem Strand ist Verfall. Bunter Verfall, doch trotzdem ärmlichste Verhältnisse. Der Unterschied ist sicher an vielen Orten der Welt größer als hier, aber dennoch fanden wir ihn bemerkenswert. Das ist unsere Sicht, wenn wir morgens die kleine Holzhütte verlassén:
Und so sieht es 10 Meter weiter links aus, den Strand herunter, wo die Fischer und Bootskapitäne leben:
Wenn sie nicht fast alle tagtäglich so zufrieden und happy ausschauen würden, würde man sich wirklich ganz dumm vorkommen, fehl am Platz, wie ein Baufehler, aber es ist schwierig, den Gedanken zu fassen, wie man den Leuten aktuell mehr helfen könnte, als Tourist zu spielen, sie für ihre Dienste zu entlohnen und mit ihnen gemeinsam diesen Raum zu genießen. Zuviel nachdenken darf man dabei nicht.
Hier noch ein Tempelbaum von der Pilzebucht, die wir kurz angeschaut haben. Sie war uns zu vollgestopft mit Booten und Touristen… unser kleiner einsamer Strand ganz am Nordende der Insel war uns da viel lieber. Dazu noch, von unserer Lieblingswarung, ein echtes indisches Chili und ein wunderbar gegrilltes Huhn für wenig Geld, in einer Holzhütte im Mangrovenwald gelegen, herrlich. Machts gut uns gebt auf Euch acht, Niklas