Die Goldgrube

Inmitten der Stadt: Eine Oase

Gestern früh hat Sarah mich mitgenommen ans Südende der Stadt, damit ich auch einmal den berühmten Yoga Barn anschauen kann, quasi das Yoga-Herz Ubuds. Ich hatte davon gehört, klar, hatte gedacht, das ist dann eben wieder so ein Yogacenter, vielleicht ein wenig größer als andere, aber ich hatte nicht erwartet, dass das Ganze annähernd ein eigener Stdtteil ist.

Man gelangt dorthin, wenn man am großen Verbrennungsplatz abbiegt ins ruhige Peliatan, wo es tendenziell mehr Locals als Touries gibt, mehr kleine Läden, Warungs, Cafés, Wäschereien für Einheimische; nur dann und wann mal ein kleines oder mittleres Ressort. Da die Fassaden hier doch oft geschlossen sind durch die Mauern vorgelagerter privater Tempel und die Wege dazwischen so schmal, dass es keine tiefen Einblicke gibt, vergisst man in der Betriebsamkeit Ubuds, dass hinter eigentlich allen bebauten Straßenseiten immer noch sehr große Freiflächen, mal als Reisfeldanlgen, mal dschungelartig oder als verwilderte Flusslandschaft liegen. Benutzt, unbenutzt, auf Erschließung wartend oder einfach nur vor sich hin träumend.

Geschickte amerikanische Investorinnen, wie hier geflüstert wird, haben frühzeitig das Potential für Yoga in Ubud gesehen bzw. es vielleicht sogar entwickelt und sich eine dieser großen Flächen gesichert. Von außen ist das alles nicht zu sehen.

Wir fahren eine unscheinbare Auffahrt hinauf und stellen den Roller neben einigen seiner Artgenossen ab, sodann geht es eine kleine Rampe hinunter und wir blicken auf eine Oase der Ruhe und beschaulichen Verweilens, eine gepflegte Anlage von hübschen Hüttchen und Häusern umgeben von Bäumen und tropischen Blumen, hübsch angelegten Wegen, einem Bachlauf, die in ein kleines Zentrum, dem Haupthaus, das kaum als „Scheune“ bezeichnet werden kann, führt, umgeben von Spa-, Therapie-, Meditatinsräumen, natürlich Yogastudios, Restaurants, Gästehäusern, Café etc. eine kleine Welt für sich, in die man sich auch mit einem Vollticket komplett einmieten kann, sodass man die Welt außen herum gar nicht mehr benötigt.

Die „Scheune“

Ein kleine Brunnen zwischen Cafè und Restaurant

Bei aller Deutlichkeit, mit der hier das Geldmachen auf die Spitze getrieben scheint, ist den Betreibern, Megan haben wir bei der Pecha Kucha Nacht im Betelnut-Café gesehen, etwas wirklich Schönes gelungen, ein Juwel für die Gäste, die das Eintauchen in die Welt von Yoga, Medi und allem, was offenbar dazugehört, unter Umständen auch Schamanismus, in möglichst großer Vollständigkeit suchen. Und vor der „Masse“ Mitmenschen, die dieses Interesse teilt, keine Angst hat. Ich erinnere mich, wie Winé, eine indonesische Yogalehrerin, die im kleinen Usada-Einraum-Yoga-Studio eine Einführungsklasse gehalten hat, in der ich mit ihr allein war, mir von den Introklassen im Yoga-Barn erzählte, wo sie es mit 40 Anfängern zu tun hätte — und eigentlich auf niemanden so recht eingehen könnte.

Immerhin nehmen sie sich selbst (oder die balinesische Kultur) hier nicht so ernst, bewacht wird der „Dorfplatz“ von den beiden hier, wobei wir die Dame aus dem Hinduismus und den Herrn aus „Krieg der Sterne“ kennen:

Viele hübsche Details, wie kleine Ruhezonen in der weitläufigen Gartenanlage, oder kleine Brunnen, zeichnen dieses Yogaressort als konzeptstarkes Micro-Business-Universum aus, was ich — mit solcher Stringenz durchgezogen — schon etwas beeindruckend finde.

Sie haben das wirklich gut hingekriegt — vielleicht muss es auch niemanden stören, vielleicht ist es nur das Maulen des Freiburgers in mir, dass ich hinter aller Schönheit dieses Ambientes wie kaum irgendwo hier die Maschinerie eines voll durchrationalisierten Investments, basierend auf dem Irrationalismus der hier angebotenen Gesamtthematik und der Gäste, sehe, und mir dies etwas befremdlich erscheint.

Im unscheinbaren Ausgang kam ich an diesem farbenfrohen Häuschen vorbei

Die Menschen, die wir hier sehen, wirken zufrieden, ambitioniert, heiter und gar nicht, wie wenn sie sich fehl am Platze fühlten. Was uns beim Spaziergang dagegen total fehl am Platze erschien, war zu sehen, dass in einer der kleinen Ruhe-Salas, wo die Yogaschüler verweilen oder ruhen können, offen im Garten, jemand einfach seinen Müll hat liegen lassen. Zufriedenheit kommt eben manchmal auch ins Gesicht, wenn einem manche Sachen ***egal sind …

Sarah ging dann in ihre Klasse und ich auf eine Fußwanderung zurück. Hin und wieder springt mich das eben so an. Ich wollte am Stadtmarkt Gemüse kaufen, doch leider war der Bauernmarkt schon vorbei und dem Krimskrams-Markt gewichen, wo es allen möglichen Krempel für die tiefen Taschen der Touristenmeute gibt. Sarongs, Räucherstäbchen, kleine Gitarren, Holzpenisse, Götterfiguren … schnell weg.

ich bin aber doch mal durchmarschiert, nicht zuletzt, um meinen dokumentarischen Pflichten nachzukommen. Grundsätzlich hat der Markt schließlich auch erst mit dem ausgeräkelten Auftritt der Touristen nach dem morgendlichen Frühstück seinen Übergang ins Groteske. Ganz früh am Morgen sind es die Bauern, Händler und die Köche, die sich täglich hier treffen. Die Straße wird dann einspurig und in totaler Effizienz, denn um halb 10 kommen die Touries, wird das echte Marktgeschehen abgewickelt und dann abgeräumt.

So musste ich halt über die Brücke und dann wieder zurück ans andere Südende, durch Penestanan nach Sayan, um auf unseren normalen Bauernmarkt zu gehen, und es wurde ein schöner Spziergang.

Markt zwischen ernst und touri

Gestern war offenbar Sariswhati-Tag, soviel ich verstanden habe, ein Festtag, an dem man um Wissen und Kenntnis betet. Zudem war in Penestanan Tempelfest, also waren die Straßen wieder voll von Balinesen im „vollen Wichs“. Das ist immer schön. Aber schön voll ist eben auch voll, also bin ich auf Nebenstraßen ausgewichen und dann noch über einen balinesischen Friedhof gestolpert, der diesmal mit sehr kleinen Grabsteinen und ohne Sonnenschirme auskam; dafür als Anlage, städtisch, und wiederum dafür eigentlich viel zu klein. Kaum 40 Gräber, aber Platz für Hunderte. Da man in Ubud verbrennt, dachte ich, dass dies vielleicht so eine Art Friedhofs-Zwischenspeicher ist, wo die Toten draf warten, „geweckt“ zu werden. Wer weiß. Fragen nutzt gar nichts, weil hier jeder aus einer anderen Microgemeinde kommt, und jede dieser Gemeinden ihren eigenen Stiefel hat. Sie sind auf alle Fälle hier sehr bewusst und vorsichtig im Umgang mit ihren Toten, wie ja schon bei der Verbennungszeremonie beschrieben.

Unlängst wurde hier berichtet, dass einmal ein alter Priester (oder Mönch) zu Besuch im Roots war und die Besitzer darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es auf diesem Hügel eine Menge Seelen von Kindern gebe. Damit ist auch klar, warum bei den beiden Opfergaben, die hier in unserem Garten täglich stattfinden (am kleinen Haustempel) immer auch kleine Süßigkeiten, leider in individuellen Plastikverpackungen, mit dabei sind. Da die Eichhörnchen und die Vögel sich immer gleich auf die Offerings stürzen, liegen also in unserem Garten eigentlich immer kleine Packungen mit Candy. Das machen sie eben wegen der Kinderseelen.

Es wurde berichtet, dass man aus Kostengründen oder Unachtsamkeit einmal damit aufgehört habe — bis ein Anruf von dem Priester oder Mönch kam, dass man doch bitte wieder darauf zurückkomme … Sarah und ich waren neulich in dem Zero-Waste-Shop (zuhause wäre das “Unverpackt”) in Sayan drüben, gegenüber dem Kunstraum, wo wir die Tonaufnahmen fürs Trees-Video gemacht haben und haben nach Süßigkeiten gefragt, die eben nicht einzeln in Cellophan verpackt wären. War leider erfolglos und wäre wohl auch zu teuer geworden. Insofern wird sich die Tradition mit den Süßigkeitenpäckchen im Gras wohl fortsetzen.

Soweit für heute. Es ist Sonntag, wir halten es ruhig. Morgen beginnt die letzte Arbeitswoche im Hubud. Am 20. Mai ist unser letzter Tag hier im Roots. Wir haben bereits für 6 Nächte ein Zimmer mit Balkon in Sidemen gebucht, wo wir dann, hoffentlich wenigstens mit ein bisschen Internet, den schönen Ort, die Ruhe und die grüne Aussicht genießen können. Zudem will ich gerne ins Vulkanland, um wenigstens auf den Mt. Batur zu steigen. Wie es dann weitergeht, wissen wir noch nicht. Wir lassen unser schweres Gepäck hier bei unseren Vermietern, die gerade verkaufen und ca 10 Tage nach uns, Mitte Juni, Bali verlassen. Aber für unser Gepäck reicht es noch. Wir werden wohl mit den Rollern nach Sidemen und vor dort aus mit leichtem Gepäck durch Bali düsen, bin selbst gespannt.

Machts gut, feiert schön Muttertag, passt auf Euch auf, viele Grüße, Niklas