Sich etwas erwandern
Wenn ich etwas kennenlernen will, muss ich es erwandern. Auf dem Scooter würde man ja in Teufels Küche kommen, wenn man sich die Umgebung gründlich anschaute, ich muss sagen, selbst zu Fuß ist die Balance zwischen dem rechten Auftreten, Fotos machen, auf Schlangen und Löchern achtgeben, manchmal schwer; aber man kriegt schon eine Menge mehr mit. Nachdem wir gestern doch etwas müde waren, hatte ich es aber dennoch geschafft, mir bei dem freundlichen Balinesen an der Rezeption diesen handgemalten Plan zu ergattern. Er verbirgt in Gänze, dass alles, was wir hier sehen, wesentlich weiter reicht, als wir schauen können. Und wir wohnen auf einem Hügel. Ich also in Flipflops los, früh morgens, nachdem die Buddhisten weiter unten im Tal um 5:30 einen herzerfrischenden Gebetsruf abgesetzt hatten, gefolgt um 6 von den Moslems hinter dem Haus.
Zum Plan: unten leicht rechts wohnen wir, Sidemen liegt quasi dahinter, also weiter rechts unten. Die Brücken bezeichnen logischerweise den Fluss, Irrigation System sind die Kanäle, die durch die wunderschönen Reisfelder führen (habe ich heute nicht gemacht, weil es doch zu doof wäre, wenn ich mitten im Feld auf eine Schlange treffe). Da, wo sie Treppen eingezeichnet haben, geht es ca 400 Meter hoch, oder mehr, es sind Hunderte Treppen, die zu einem Tempel auf halber Höhe führen, der verlassen ist. Da es von dort nur auf einem schlammigen Pfad steil weiter bergan ging, bin ich umgekehrt, nachdem ich mehrfach auf den Sandalen weggerutscht bin. Auf dem hier kurzen Weg zur nächsten Brücke, der mich mehr als 1 Stunde gekostet hat in glühender Hitze, kam ich durch drei Dörfer, vorbei an vielen Tempeln. Hatte unzählige Begegnungen mit Hunden, keine bedrohlich, jedoch jede konzentriert. Als ich die Hunderte Treppen im Wald hochstieg, bestand meine Bewaffnung in einem 1-Meter-langen Stock mit ein wenig Laub, in den Dörfern dann mit ein paar Steinen für alle Fälle. Schließlich weiß man ja nicht, ob allein meine Tollwutimpfung irgendjemanden aus der Tierwelt abschreckt. Begegnet sind mir ein hüfthohes Schwein, Kühe, Geckos, Hunde, Katzen, Riesenlibellen, Hummeln, alles im Rahmen, alles freundlich. In der Fremde vergisst man eben schnell, dass man selbst letztlich der Fremde ist, vor dem einheimische Wesen eher und wohl auch zurecht Angst haben, nicht andersherum.
Die Landschaft, die mich umgibt, ist atemberaubend schön. Hier kommt alles zusammen, was man gemeinhin als „so ist Bali“ bezeichnen würde, ausgenommen das Meer und die kleinen Inseln natürlich. Sanfte Reisfelder, üppigste Vegetation, viele Wasser führende Kanäle und Menschen, die ihr Land liebevoll pflegen. Natürlich stolpern wir auch hier in Sidemen über Müll am Straßenrand, aber deutlich weniger als im Bereich der Hauptstadt.
Nach einer Weile fällt die Landschaft wieder ab, und ich gelange an diese hübsche, wenngleich seltsame Brücke. Hier kommt natürlich kein Auto hinüber, dafür hat man gesorgt, aber auch schon ein Fußgänger und ein Roller haben Schwierigkeiten, miteinander auf der Brücke klarzukommen. Nicht nur dass sie, wie man sieht, extrem eng ist, sie ist darüberhinaus auch eine Hänge- oder sagen wir Wackelbrücke. Sie führt über den Fluss und erlaubt, bei manchen Wetterlagen auch einen traumhaften Blick auf den Agung. Das zeigt das übernächste Bild.
Es geht dann nach dem Fluss wieder den Hügel hinauf, zurück in den Ort. Es ist gerade die Schule aus, zumindest fürs frühe Mittagessen (hier beginnen die Tage durchs Gebet und die Hausarbeit ja stets sehr zeitig), ich erwische vor einem Stadttempel noch ein paar Schüler, die schwatzend heimlaufen. Ihren Gesichtern merkt man an, dass immer noch Touristen hier auf heimischem Boden Fremdkörper darstellen.
Daheim, im Resort, muss ich mich erstmal abkühlen. Später fahren Sarah und ich diesen Weg teils nochmal ab, mit dem Roller, weil es da eine sehr witzige, total rudimentäre Warung gibt, wo es außer richtig gutem Essen schlichtweg gar nichts gibt. Danach checken wir Yoga-Plätze im Dorf und halten am Weg noch für einen Espresso, wo wir eine witzige und total interessante Begegnung mit I Wayan, dem Barkeeper, hatten, der uns eine Menge über Bali, das Leben in Megafamilien (er ist Kind Nummer 9 und da die Regeln für die Kindsnamen nur bis zum 4. Kind aufgestellt sind, bekam er den des ersten Kindes, weil sich das alles dann immer wieder von vorn wiederholt), seine Pläne für die Zukunft (Kreuzfahrtschiff) und die ortsansässige low profile Königsfamilie erzählte. Ein voller Tag, der dann mit Arbeit für Freiburg und ein paar Bieren auf unserer Bilderbuchterrasse endete, machts gut und psst auf Euch auf. Liebe Grüße, Niklas